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Psychologie

Die Wahrheit hinter der einen großen Liebe

Wir haben eine Therapeutin gefragt, warum es immer diese eine Person gibt, über die man einfach nicht hinwegkommt und was das für Folgen für unsere zukünftigen Beziehungen haben kann.
Image by Gabrielle Lutze via Stocksy

Der Gedanke an das, was hätte sein können, ist oft viel stärker als die Erinnerung an das, was wirklich war. Viele von uns kennen den Gedanken an die verlorene Liebe—die eine perfekte Person, die uns durch die Lappen gegangen ist und zum Maßstab für all unsere zukünftigen Beziehungen geworden ist. Eine neue Umfrage hat herausgefunden, dass sich eine von sieben befragten Personen auch mit Mitte 70 noch immer nach dem einen Menschen sehnt, der ihnen entwischt ist. Egal wie alt man ist: viele uns uns fragen sich auch dann noch immer, was hätte sein können.

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„Ich habe damals gerade im Ausland studiert und war total verknallt in diesen einen Typen. Wir haben einmal nach einer Party miteinander rumgemacht und er wollte, dass ich bei ihm übernachte, aber ich habe die Unnahbare gespielt und bin wieder zurück zu meinen Freunden gefahren, bei denen ich über Nacht bleiben wollte", sagt Allison*. „Ein paar Tage später habe ich gemerkt, dass ihn das aber wirklich verletzt haben muss. Ich habe versucht, es wieder gut zu machen, aber der Moment war vorbei. Er kam kurz danach mit einer anderen zusammen."

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Auch Jahre später glaubt Allison noch immer, dass ihr Semester im Ausland sehr viel erfolgreicher gewesen wäre, wenn die ganze Sache mit ihrem Schwarm ein gutes Ende genommen hätte. Dieser Glaube ist nicht ungewöhnlich, sagt Dr. Sarah Millstein, klinische Sozialarbeiterin und Therapeutin aus New York. „Ich glaube nicht, dass es dabei wirklich um die Person an sich geht. Der Mensch verwandelt sich vielmehr in ein Objekt, welches all das repräsentiert, was weit über die Person hinausgeht und wahrscheinlich noch nicht einmal wirklich etwas mit der Person zu tun hat", sagt sie gegenüber Broadly. „Welche unterbewussten Wunschvorstellungen und Qualitäten kann ich auf dieses Objekt projizieren? Es handelt sich dabei um den Wunsch nach Perfektion und Vollkommenheit, der bei Personen, die in der Vergangenheit bereits Verluste erlitten haben, besonders stark ist."

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Die Fixierung auf die eine verlorene Liebe nimmt dann besonders schlimme Formen an, wenn sie einem dabei im Weg steht, eine gesunde Beziehung aufzubauen. „Ein gesunder Mensch ist in der Lage, alle Qualitäten eines Menschen zu sehen und zu verstehen, dass er/sie nicht perfekt ist—und eben nicht ‚der/die Eine'", erklärt Millstein. Besonders bedenklich wird die Fixierung, wenn Menschen aufgrund eines Traumas oder eines erlernten Verhaltens nicht bereit sind, das Objekt ihrer Fantasie als reale Person zu betrachten.

„Ich hatte eine emotionale Affäre mit einem Mann, der in einer wirklich ernsten Beziehung war", sagt Alaina. „An einem gewissen Punkt hätten wir definitiv die Chance gehabt, daraus auch eine körperliche Beziehung zu machen. Ich habe es aber beendet und als die beiden geheiratet haben, war ich überzeugt, dass ich den größten Fehler meines Lebens gemacht habe. Ich saß bei der Hochzeit weinend in der letzten Reihe (ohne Begleitung) und musste so tun, als wäre ich glücklich für die beiden, aber in Wirklichkeit fühlte ich mich einfach nur schrecklich."

Foto: Han Cheng Yeh | Flickr | CC BY 2.0

Alaina, die mittlerweile seit einem Jahr in einer festen Beziehung ist, hat erkannt, dass ihre Besessenheit dazu geführt hat, dass sie in keiner ihrer vergangenen Beziehungen glücklich geworden ist. „Ich habe alle meine Partner mit ihm verglichen", sagt sie, „aber wir haben uns nie geküsst, von daher habe ich überhaupt keine Ahnung, wie es wirklich gewesen wäre, mit ihm zusammen zu sein. In meinem Kopf ist einfach alles perfekt."

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Millstein ist ebenfalls der Meinung, dass die Fixierung auf die Idee von „dem Einen" ungesund ist, betont aber auch, dass es vielen Leute so geht und zwar nicht nur im Zusammenhang mit romantischen Beziehungen. „Das ist ein interessantes und äußerst vielschichtiges Phänomen, zu dem noch viele andere Dinge gezählt werden können: der ‚schönste' Urlaub, das beste Paar Schuhe und so weiter. Jeder will das Beste vom Besten", sagt sie.

Die stark vereinfachte Natur solcher Ansichten wird manchmal erst dann deutlich, wenn die Situation umgekehrt wird. Alaina wurde vor Kurzem von einem Mann angeschrieben, mit dem sie während dem Studium ausgegangen ist—vor über zehn Jahren. „Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm verreisen möchte", sagt sie. „Das wirkte so willkürlich und kam so aus dem Nichts, dass ich es irgendwie unheimlich fand. Er konnte nach all den Jahren ja überhaupt nicht mehr wissen, was für ein Mensch ich in der Zwischenzeit geworden bin." Erst als sie ihre eigene Erfahrung mit der Geschichte mit dem verheirateten Mann verglich, wurde ihr klar: In diesem Fall war sie „die Eine".


*Namen wurden geändert.

Foto: Han Cheng Yeh | Flickr | CC BY 2.0