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Escort-Ladys marschieren auf einer Digitalkonferenz ein

"Leider ist die Aktion aus dem Ruder gelaufen", sagt die Chefin von Ohlala, während Gäste unter #EscortGate über das Frauenproblem der Internetbranche streiten

Imageschaden? Einfach nur offenbarend - Frauenbild der @NOAHConference und die Disk. im Vorfeld zu #AllMalePanels #escortgate @dstartupscom
— Anna Handschuh (@anna_handschuh) June 9, 2016

Zum zweiten Mal fand diese Woche die Axel Springer NOAH Konferenz in Berlin statt, das größte Event dieser Art in Europa. Unter den 3.000 Gästen konnten sich Newcomer und Größen der Branche vernetzen. Wirtschaftsvertreter waren da, CEOs und natürlich Großtwitterer Kai Diekmann. Schon im Trailer kündigten die Veranstalter an, "disruptive innovation" voranbringen zu wollen. Eine "Störung" gab es dann tatsächlich.

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Bei der Party am Abend der Konferenz marschierte eine Gruppe um Pia Poppenreiter, Chefin des Dienstes Ohlala, bei dem Event ein—für eine "Guerilla-PR-Aktion", wie sie es selbst nannte. Ohlala versteht sich als Vermittlungsmöglichkeit für "Dates on demand" und vermeidet Begriffe wie Sexarbeit und Escort für die von Privatleuten angebotenen Dienstleistungen. Poppenreiter und ihre Begleiterinnen von Ohlala tauchten jedenfalls mit jeder Menge Flyer für den Vermittlungsdienst auf und gingen mit ihrer Werbung auf Konfrontationskurs mit den Anwesenden—zumindest fühlten sich einige von ihnen, vorsichtig ausgedrückt, gestört.

Gäste beschwerten sich über die Kleidung der Werbetreibenden und deren vermeintlich aufdringliches Verhalten gegenüber männlichen Anwesenden. Herablassende Kommentare und der Hashtag EscortGate dürften weit von dem entfernt sein, wie sich die Ohlala-Chefin den Abend vorgestellt hat. Der Twitter-Account von Digital Media Women bringt die Beschwerden auf den Punkt:

*Die #NOAH16 hat sich dieses Jahr um eine bessere Frauenquote gekümmert und ein ein paar Escort-Ladies eingeladen*Ironie off
— Digital Media Women (@DigiWomenDE) June 9, 2016

Viele Zeugen sprechen von einem problematischen Zeichen: So werde das Stigma des sozial inkompetenten, beziehungsunfähigen, männlichen IT-Nerds hochgehalten. Durch den Vorfall werde außerdem die männliche Dominanz in der Digitalbranche fortgeschrieben—inklusive bestellter, weiblicher Begleitungen als "Dekoration". Entsprechend stark entlud sich der Unmut über die Aktion gegenüber der Organisation der NOAH. Dies hatte wohl auch mit dem diesjährigen Programm zu tun: Frauen waren in den Vorträgen stark unterbesetzt und entsprechend machte die Kritik an #allmalepanels auf Twitter die Runde.

Die anschließenden Pressestatements der Beteiligten stellen die Geschichte anders dar: Der Axel Springer Verlag will laut Sprecher nichts mit dem Vorfall zu tun gehabt haben, er lehne "Aktionen dieser Art ab". Auch NOAH-Gründer Marco Rodzynek sieht die Veranstaltung als Opfer des Gags, obwohl er Schwierigkeiten mit weiblicher Repräsentation einräumt: "Wir sind das Symptom, nicht die Ursache, dass es nicht mehr weibliche CEOs in der Internetindustrie gibt."

Pia Poppenreiter von Ohlala bestätigte, dass der Escort-Service allein für die Aktion verantwortlich war und entschuldigte sich. "Leider ist die Aktion aus dem Ruder gelaufen", sagte sie deutsche-startups.de. Eines hat die PR-Aktion jedenfalls geschafft: die Diskussion um weibliche Unterbesetzung in der Digitalbranche erneut anzuheizen. Allerdings: Die Zahl der Neuanmeldungen bei Ohlala scheinen durch die Decke zu gehen:

Say what you want but #escortgate is #1 trending in Germany & https://t.co/eE1GNxAxjs signups are exploding. #noah16 pic.twitter.com/XCpQejXeon
— Lindsay Buescher (@LindsayOhlala) June 10, 2016