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Unnützes Rechtswissen

Warum es eine Straftat sein kann, wenn ihr eure Bierflaschen wegschmeißt

Das deutsche Pfandsystem zeigt mal wieder, was es kann.
Foto: spDuchamp | Flickr | CC BY 2.0

Für alles, wirklich alles im Leben gibt es eine Zeile von Wolfgang "Wölfi" Wendland, dem Sänger der Punkband Die Kassierer. Auch hier: "Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist". Die Hymne schildert in schrecklichen Details den Moment, in dem, nunja, das Bier alle ist. Ist ja auch schlimm. Aber worüber im Song kein einziges Wort verloren wird: Wohin mit der leeren Flasche? Klar, zurück in den Bierkasten. Oder einem Flaschensammler schenken. Nee, ach komm, die blöden acht Cent! Klirrrrr, "Flaschen zerschmeißt man am besten auf Beton"! Gröööl! Saufen!

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Doch die Scherben könnten euch in Schwierigkeiten bringen. Weil die Brauereien euch anzeigen könnten, wenn ihr deren Eigentum zerstört.


Auch bei VICE: Auf ein Bier mit Schwester Doris


Der Bundesgerichtshof hat nämlich in einem Urteil 2009 festgelegt, wem die Bierflasche gehört, die ihr euch allabendlich aus dem Kiosk holt. Zur Beruhigung vorweg: Fein raus sind Dosenbiertrinker und alle, die sogenannte Einheitsflaschen kaufen: Sterni, Astra, Tegernseer. Im Grunde alle Flaschen, die man – bis auf das Etikett – keinem Hersteller zuordnen kann. Denn Dosen sind Einweg und damit euer Eigentum. Einheitsflaschen sind sozusagen Allgemeingut, in die alle Brauereien ihr Bier hineinfüllen können.

Aber weil immer mehr Brauereien in eigens gestaltete Flaschen abfüllen, sogenannte Reliefflaschen, gibt es Probleme:

  • Manche Pfandautomaten nehmen keine Reliefflaschen an, weil die Supermärkte das Bier nicht verkaufen.
  • Umweltbelastung, weil etwa jede Duckstein-Flasche, die ihr in München trinkt, zum erneuten Abfüllen zurück zur Brauerei nach Hamburg muss.
  • Und: Es war lange rechtlich unklar, wem diese Flaschen überhaupt gehören. Bis das BGH sagte: euch nicht!

Die Richter unterscheiden zwischen dem Eigentümer der Flasche und dem Besitzer. Wenn ihr ein Bier kauft, geht ihr einen Vertrag mit dem Hersteller über eine leiheähnliche Gebrauchsüberlassung ein. Das heißt: Euch gehört das Bier, nicht die Flasche. Wenn ihr die zerstört, kann der Hersteller deshalb Schadensersatz wegen Vertragsbruch fordern. Dieser gilt in Deutschland als Straftat. Wer sich ein Auto auf Raten kauft und nicht bezahlt, macht Schulden. Wer eine Bierflasche zerschlägt, die ihm nicht gehört, macht sich schuldig. Zumindest theoretisch.

In der Praxis passiert das allerdings nicht, sagt eine Sprecherin der Flensburger Brauerei gegenüber VICE: "Wir verstehen natürlich, dass Menschen unsere Flaschen spannend finden. Zum Beispiel als Einweckglas." Aber acht Cent Flaschenpfand reichen nicht, um die Herstellungskosten zu decken: "Unser Bier ist ja nicht nur der Inhalt, sondern auch die Flasche selbst." Und so eine Flasche herzustellen, koste rund das Vierfache vom Pfand. Deshalb habe man großes Interesse daran, die Flaschen zurückzubekommen. Aber nur weil jemand mal eine zertrümmert, verfolgt Flensburger niemanden. "Das ist noch nie vorgekommen", sagt die Sprecherin der Brauerei. "Aber wenn das jemand in großem Stil machen würde, würden wir dem nachgehen."

Auch bei der Radeberger Brauerei sind auf Anfrage von VICE keine Fälle von Anzeigen wegen weggeworfener Bierflaschen bekannt. Dort spricht man von einer "rechtlichen Grauzone".

Womit man wieder bei den Kassierern ankommt, die ganz klar definieren, was keine Grauzone ist: Der Song "Ich töte meinen Nachbar und verprügel seine Leiche" berichtet von einer Straftat, die mit Sicherheit rigoroser verfolgt würde als das halbillegale Zerstören oder Zweckentfremden von Relief-Bierflaschen.

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