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Eine Bisexuelle erzählt uns, was sie über die Lockerung des Adoptionsrechts für Homosexuelle denkt

„Endlich können wir Kinder adoptieren—aber nur ein bisschen."
Foto: Holden Karau

Bisher hat das Schweizer Adoptionsrecht ganz schön alt ausgesehen. Paare, die ein Kind adoptieren wollten, mussten entweder seit fünf Jahren verheiratet oder mindestens 35 Jahre alt sein—und hetero. Gleichgeschlechtlichen Paaren war es nicht erlaubt, ein Kind zu adoptieren, und sei es auch bloss das leibliche Kind des Partners oder der Partnerin.

Heute Morgen hat der Ständerat einer Modernisierung zugestimmt. Das Mindestalter der Eltern wurde auf 28 Jahre gesenkt, neu muss das Paar optional nur drei Jahre verheiratet sein, um gemeinsam ein „fremdes" Kind zu adoptieren. Will jemand das leibliche Kind der Partnerin oder des Partners adoptieren, spielen der Zivilstand und die sexuelle Orientierung keine Rolle mehr.

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Das heisst, dass die Kinder von Homo-Paaren, auch unverheirateten, endlich eine rechtliche Absicherung haben: Etwa im Fall des Todes der leiblichen Mutter oder des leiblichen Vaters. Bisher konnte das Kind dann nicht beim anderen Elternteil bleiben, sondern wurde fremdversetzt, hatte keinen Erbanspruch und erhielt keine Waisenrente. Endlich gibt es eine rechtliche Absicherung für ebendiese Kinder und deren Familien. Der Beschluss des Ständerats ist also ein Gewinn für uns LGBTs.

Foto: SteveR- | Flickr | CC BY 2.0

Es geht also etwas voran in der Schweiz! Das ist auch dringend nötig: Die Gesetze hinken einer Realität hinterher, die schon lange existiert. Uns Nicht-Heterosexuelle gibt es nämlich schon eine Weile (schon immer, um genau zu sein). In der Schweiz wachsen bereits tausende Kinder bei unverheirateten Paaren auf, zu denen auch gleichgeschlechtliche Paare gehören; mit entsprechenden Gesetzen tragen wir einer gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung, in der die konventionelle Ehe und die leibliche Elternschaft eine Option, aber nicht Pflicht sind. Schliesslich soll jede und jeder selbst entscheiden können, ob das Lebensmodell einer Ehe, eventuell mit Kindern, überhaupt zu den persönlichen Plänen gehört.

25 Ständerats-Stimmen haben Ja gesagt zu der Adoptionsrecht-Modernisierung, 14 haben sich dagegen gewehrt. Mehrheitlich kamen diese aus den Reihen der CVP und SVP, vereinzelt aus der FDP. Die möglichen Auswirkungen dürften nicht verharmlost werden, hiess es seitens dieser Gegnerinnen und Gegner. Schliesslich müsse der Zweck das Wohl des Kindes sein—und diese Gesetzesänderung sei letztlich bloss eine „Salamitaktik", fand beispielsweise Beat Rieder von der CVP Wallis. Worauf Justizministerin Simonetta Sommaruga relativierte, das Hauptziel des Adoptionsrechts sei nach wie vor, elternlosen Kindern zu Eltern zu verhelfen. Die Modernisierung sei ja bloss moderat.

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Und da haben wir das Problem: Die Modernisierung des Schweizer Adoptionsrechts ist tatsächlich nur moderat. Ursprünglich hatte der Ständerat nämlich in einer Motion vorgeschlagen, dass jede erwachsene Person ein Kind adoptieren könnte. Der Nationalrat schwächte dies ab auf Paare, von denen jemand lieblicher Elternteil des Kindes ist.

Die Adoption eines „fremden" Kindes, das nicht das leibliche Kind eines der beiden Partner ist, ist schon für Hetero-Paare schwierig genug (jedenfalls schwieriger, als Penis-Vagina-Sex zu haben). Gleichgeschlechtlichen Paaren ist es aber auch jetzt noch nicht erlaubt, ein nicht-leibliches Kind zu adoptieren. Damit ist der neue Beschluss bloss ein kleiner Schritt, der noch viel Raum gegen oben freilässt.

Kinder von gleichgeschlechtlichen Paaren sind nicht unglücklicher als solche mit Hetero-Eltern, und Regenbogenfamilien aller Formen gibt es schon lange. Wir LGBTs sind genauso fähig, Elternrechte und -pflichten wahrzunehmen und für das Wohl unserer Kinder zu sorgen. Das Schweizer Gesetz muss viel weiter gehen, um uns endlich die Freiheiten und Sicherheiten zu geben, die Heteros schon lange haben. Denn nein, eine Salamitaktik wollen auch wir nicht—wir wollen die ganze Metzgerei.

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Titelbild: Holden Karau | Flickr | CC BY-SA 2.0