Das obskure Gesetz von 1887, das "Präsident Trump" doch noch verhindern könnte
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US-Politik

Das obskure Gesetz von 1887, das "Präsident Trump" doch noch verhindern könnte

Mit einem alten Gesetz und extrem viel Glück könnten die Demokraten Hillary Clinton vielleicht doch noch zum Sieg verhelfen—oder zumindest Trumps Sieg verhindern.

Am Montag haben die Wahlleute der USA ihre Stimmen abgegeben und damit den gefürchteten Donald Trump einen offiziellen Schritt näher an die Präsidentschaft gebracht. Doch der Geschäftsmann und plötzliche Politiker muss am 6. Januar 2017 noch eine letzte rechtliche Hürde überwinden: die Auswertung der Stimmen der Wahlleute bei einer gemeinsamen Sitzung beider Kammern des US-Kongresses.

Zwar hat das noch nie jemand getan, doch theoretisch könnten die Demokraten ein obskures Gesetz von 1887 zu einem letzten, verzweifelten Versuch nutzen, das Weiße Haus vor Trump zu bewahren.

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Paragraf 15 des 3. Titels des United States Code besagt, dass die Wahl der Wahlleute entweder einzeln oder kollektiv pro Bundesstaat angefochten werden kann. Dazu müssten nur ein Mitglied des Repräsentantenhauses und ein Mitglied des Senats einen Brief einreichen, laut dem die Stimmen nicht "ordentlich abgegeben" wurden. Und dann könnte Hillary Clinton theoretisch wieder gewinnen, auch wenn das realistisch betrachtet so gut wie ausgeschlossen ist.

"Wir müssen ehrlich sein und einräumen, dass hier sehr viel Ungewissheit dabei ist", sagt Edward Foley, Juraprofessor an der Ohio State University und Autor von Ballot Battles, einem Buch über die Geschichte angefochtener Wahlergebnisse. "Dieses Gesetz ist sehr komplex, und der Kongress wusste, dass es keinen Sinn ergibt, als er es verabschiedete, aber es war ein Kompromiss."

Wenn ein Abgeordneter und ein Senator Einspruch erhoben haben, beraten sich beide Kammern getrennt voneinander für je zwei Stunden. Zum Beispiel könnten zwei Demokraten, eine Person aus jeder Kammer, die Stimmen anfechten, welche die Wahlleute von Pennsylvania für Trump abgegeben haben, und sich dabei auf eine russische Einmischung in die Wahlen berufen.

"Wenn CIA- und FBI-Ermittlungen beweisen würden, dass es gewisse Bezirke gab, in denen manipuliert wurde—zum Beispiel in Pennsylvania, Michigan oder Wisconsin—, dann könnte das eine Grundlage [für einen Einspruch seitens des Kongresses] sein", sagt Pippa Norris, McGuire-Dozentin für vergleichende Politikwissenschaft und Professorin an den Universitäten Harvard und Sydney.

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Die Republikaner haben jedoch in beiden Kammern des Kongresses eine Mehrheit, und das bedeutet, dass ein möglicher Einspruch sicher überstimmt würde. Tatsächlich hat der Kongress bisher keinem solchen Einspruch stattgegeben. In der Vergangenheit hat es Einsprüche aufgrund von Fehlern im Wahlverfahren gegeben, wie zum Beispiel doppelte Stimmabgabe durch Wahlleute. Ideologische Gründe spielten dabei eigentlich keine Rolle, sagt Derek Muller, Juradozent an der Pepperdine University.

 "Ich bezweifle stark, dass etwas Außergewöhnliches passieren wird", sagt Muller. "Die größten Ähnlichkeiten gab es 1960, als es um Wahlleutestimmen aus Hawaii ging, und 2000 mit den Wahlleutestimmen aus Florida, doch beide Male lief alles absolut glatt."

Allerdings war die Wahl 2016 auch eine sehr außergewöhnliche. Nie zuvor hat es in der US-Geschichte Vorwürfe gegeben, ein fremdes Land könne die Wahlen gehackt haben, um einen Kandidaten zu unterstützen. Und nie zuvor haben Wahlleute so zahlreich gegen die Wahlergebnisse ihres Bundesstaats gestimmt.

Im neuen Senat basiert die Mehrheit der Republikaner auf nur zwei Stimmen. Wenn diese beiden Stimmen dem Einspruch gegen Trumps Wahl stattgeben und demnach ein Unentschieden entsteht, entscheidet Vizepräsident Joe Biden. Wenn der Einspruch also durch den Senat kommen sollte und das Repräsentantenhaus dagegen stimmt (die Kammern sind sich also uneinig), darf der Gouverneur oder die Gouverneurin des umstrittenen Bundesstaats laut Gesetz die Stimmen der Wahlleute vergeben. Wenn es zum Beispiel die Wahlleute von Pennsylvania wären, deren Stimmen in Zweifel gezogen würden, könnte der demokratische Gouverneur Tom Wolf theoretisch die 20 Wahlleutestimmen seines Staats Clinton geben. Dann bräuchten die Demokraten allerdings immer noch mindestens einen weiteren Staat, um auf die 270 Stimmen zu kommen, die es für eine Präsidentschaft braucht.

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Wenn beide Kammern dem Einspruch stattgäben, dürften die Wahlleutestimmen aus Pennsylvania nicht mehr gezählt werden, was Trumps Vorsprung an Wahlleutestimmen auf 15 reduzieren würde. Wenn ein Fall einträte, in dem weder Trump noch Clinton die Mehrheit hätte, würde die Entscheidung dem Repräsentantenhaus zufallen, das mit großer Wahrscheinlichkeit Trump wählen würde.

Selbst wenn die Demokraten das Gesetz erfolgreich einsetzten, würde Trump vermutlich eine ganze Salve von Klagen auf Clinton abfeuern, was dazu führen würde, dass Barack Obamas Nachfolge am 20. Januar unklar wäre. Ein solches Szenario wäre die wohl größte verfassungsrechtliche Krise seit dem US-Bürgerkrieg Mitte des 19. Jahrhunderts.

Seit Trumps Sieg suchen die US-Demokraten nach einer Möglichkeit, das Ergebnis anzufechten. Zuerst spendeten sie, um eine Sieben-Millionen-Dollar-Kampagne der Präsidentschaftskandidatin der Grünen, Jill Stein, zu unterstützen. Sie forderte darin Neuauszählungen in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania—Staaten, in denen Clinton nur knapp verloren hat. In Wisconsin hatte Trump nach der Neuauszählung einen größeren Vorsprung, in den anderen beiden Staaten setzten Richter der Neuauszählung ein Ende.

Dann starteten zwei demokratische Wahlleute die "Hamilton Electors"-Bewegung, Wahlleute zu bewegen, gegen die Stimmmehrheit ihrer Bundesstaaten zu gehen und sich für einen alternativen republikanischen Kandidaten auszusprechen. Am Ende stimmten sieben sogenannte "faithless electors" ("treulose Wahlleute") für alternative Kandidaten—doch fünf davon waren Wahlleute, die sich gegen Clinton wandten.

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