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Popkultur

Die abwegigsten Highlights der Diagonale 2016 (und wir haben Tickets)

Tote Tiere, rurale Rebellion und surfende Nazis: Ein paar Filme, die ihr (wieder)sehen solltet.
Screenshot via Diagonale.at

Graz ist eine Stadt mit sehr vielen schönen Seiten. Es hat die Mur, viel Grün, richtige Viertel und sogar die schlimmsten Restaurants der Stadt sind hier irgendwie sympathisch. Am schönsten ist Graz aber, wie wahrscheinlich jede Stadt, wenn sie nicht im eigenen Saft schmort, sondern voll mit fremden Menschen und neuen Perspektiven ist. Das nennt man dann entweder kollektive Drogenpsychose oder aber Filmfestival—und zweiteres startet hier in Kürze wieder mit der alljährlichen Diagonale (von den Drogenpsychosen haben wir bisher zumindest nichts mitbekommen).

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Und weil ihr euch das definitiv anschauen solltet und wir uns schwer damit tun, mit Argumenten wie „bestes Festival Österreichs" um uns zu werfen, wollen wir euch einfach selbst ein Bild machen lassen (oder auch 24 Bilder pro Sekunde), indem wir euch unsere Highlights der Diagonale 2016 vorstellen—und natürlich auch ein paar Karten dafür verlosen. Oh, und vielleicht sollten wir noch eine kleine Trigger-Warnung aussprechen: Die folgenden fünf sind nicht unbedingt die normalsten Filme aus dem Festival-Line-up. Aber schaut selbst.

Taxidermia

Mi, 9.3., 18:00 Uhr, Rechbauer

Sagen wir es mal so: In Ungarn gibt es sehr gutes Gulasch. Auch andere scharfe Gerichte kann man hier wie sonst nirgends und die Grammeln sind ebenfalls super. Abgesehen von seiner Küche kennt man Ungarn noch für seinenziemlich ausgeprägten Alltagsrassismus, auch lange vor und vollkommen abseits von Orbáns aktueller Flüchtlingspolitik. Wofür Ungarn eher nicht bekannt ist, sind seine Filme. Das ist bis zu einem gewissen Grad mit Sicherheit genauso berechtigt wie der Food-Fame es auf der anderen Seite eben schon ist. Ungarisches Kino ist, wie das seiner ehemalig ostgeblockten Nachbarn, mit Vorliebe langsam, deprimierend und auf dieselbe Art „magisch" wie die Gute-Nacht-Geschichte einer dementen, delirierenden Großmutter, die unter „Märchen" noch wahre Begebenheiten von sterbenden Schweinen am Marktplatz versteht.

Der vielleicht berühmteste Film der jüngeren Vergangenheit, das fast schon fotofilmisch entschleunigteWerckmeister harmóniák von Béla Tarr, und auch das Kino des Taxidermia-Regisseurs György Pálfi bestätigen diese Ostklischees auf den ersten Blick. Aber wer lange genug hinschaut (auch wenn einem dabei die Pupillen austrocknen), wird mit so viel Skurrilität, Surrealismus und Body Horror belohnt, dass selbst Omas zusammendelirierter Sau graust. Laut Regisseur Pálfi geht es bei denm drei Geschichten in Taxidermia um Körper, „naturalistisch, aber mit heftiger, surrealer Begierde ausgestattet", während der Film „extreme Bereiche des menschlichen Lebens und ihre Grenzen" erforscht. Eh. Es geht aber auch um ein Cronenberg'sches Bodygeddon an der Grenze zur schnapsverstimmten Satire, das über drei Generationen den Wahnsinn und die Schönheit dessen nachzeichnet, was Ungarn groß macht: Liebe, Essen und tote Tiere.

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Endzeit

Foto: David Lindinger

Mittwoch, 09.03., 23:00 Uhr, UCI Annenhof Saal 6

Das Wort Webserie hat oft einen fiesen Beigeschmack von „Hat es nicht mal ins Fernsehen oder auf Netflix geschafft". Die österreichische Produktion Endzeit mit insgesamt 7 Folgen wird auf der Diagonale in einem Guss gezeigt, somit zu einem kunst- und soziokritischen Erlebnis in Spielfilmlänge. Ein klugscheißender Künstler, der mit dem Gedanken liebäugelt aus dem ach so bösen System auszusteigen, erbt vom paranoiden Onkel einen Keller voller Überlebensvorräte verschiedenster Art.

So wird der Weltverbesser zum Kaptialisten und fängt an, der modernen Angstgesellschaft die Survival-Goodies anzudrehen. Das Ganze stellt sich als äußerst lukrativ heraus. Mit viel selbstironischem Biss bekommen die Künstler-Branche, Heuchler und die ganze gierig-feige Gesellschaft im Rundumschlag den verdienten Tritt in die Eier—also frohe Ostern. Die Geschwister Anna und Jan Groos haben hier eine schöne Serie produziert, die genauso gut—wenn nicht besser—als Film funktioniert.

Die Ausgesperrten

Donnerstag, 10.03., 14:00 Uhr, Schubertkino 1

In den 50ern war mein ein Kleinkind und hat, wenn man meiner Tante glauben darf, übertrieben viel in seine Lederhosen gekackt—TMI, die ich jetzt endlich mit jemandem teilen konnte. Aber viel wichtiger: Im gleichen Jahrzehnt spielt auch Die Ausgesperrten von Franz Novotny, der dem geneigten Austro-Filmfan ein Begriff sein sollte. Aber selbst wenn nicht, ist dieser Film eine schwere Empfehlung. Dieses linksintellektuelle Feuerwerk nach dem gleichnamigen Roman von Elfriede Jelinek begleitet eine vierköpfige Bande, die dem Faschismus aus ihrem Leben randalieren wollen.

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Sie machen Lagerfeuer aus Mopeds, hassen ihre faschistoide Gesellschaft und das alles und sind umgeben von desolaten Nachkriegsruinen—metaphorischen, menschlichen sowie tatsächlichen. Wenn man sich vor Augen hält, wie unglaublich heutzutage noch Nazi-Überbleibsel nerven, kann man jede ziellose idiotische Aktion dieser existenzialistischen Gang nur zutiefst nachvollziehen. Auch wenn ich vor lauter irregeführter Revolution vielleicht dann doch nicht Kätzchen killen würde. Und alleine für Paulus Manker, der in Slumming die glorreichste Darbietung eines psychotischen Sandlers gibt—das nur nebenbei erwähnt—, muss man Die Ausgesperrten auf der Diagonale schauen.

WINWIN

Donnerstag, 10.03., 18:30 Uhr, KIZ Royal

Wer von The Big Short oder Master of The Universe noch nicht genug dystopische Existenzängste in Punkto der finanziellen, ökonomischen Zukunft dieses Planeten bekommen hat, wird sich über WINWIN wie eine Bank über fette Bail-outs freuen. Wie aus dem Trailer aber deutlich zu schließen ist, handelt es sich hier aber vielmehr um einen surrealistischen Kunstfilm mit 60er-Jahre Bildästhetik voll mit performativen Improvisationswahnsinn, dessen moralische Aussagen dehnbar sind ein Stressball und sinnhaftig wie das eine komische Schreibtisch-Accessoire mit den Kugeln, die immer so aneinanderklicken.

Finanzkrisen, Milliardenbetrug und der ganze schnöde Mammon werden zur MTV-Party. Die Wölfe wollen in Österreich investieren und wie soll man denn auch widerstehen können, wenn der Sportplatz und der Esstisch so sexy inszeniert sind. Und auch so ein Besprechungszimmer kann ästhetisch befriedigen. Ist euch zu schräg? Dann schaut euch mal die Geldgeschäfte der Superreichen und den heimischen Kunsthandel an, durchsetzt mit Minimaltechno von 90er-Jahre-Elektronikern—das ist schräg. Gut schräg.

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Surf Nazis Must Die

Do 10.3, 23:00 Uhr, Schubertkino 1

Es gibt viele Dinge, die an Surf Nazis Must Die einzigartig sind. Da wäre zum Beispiel die hohe Schaubarkeit und erstaunliche Massenkompatibilität für einen Troma-Film, der emanzipatorische Auftritt einer sensationellen Black Mama lange vor Django Unchained (und im Geiste des späten Blaxsploitation-Kinos) oder eben, relativ offensichtlich, die Kombination aus Surfen und Nazis.

Das Überraschendste an dem Film ist aber, dass er bei aller Nazi-Koketterie eigentlich erstaunlich politisch korrekt ist (es waren immerhin die 80er-Jahre)—und dass Österreich und hier konkret die Kronen Zeitung trotzdem einen Weg gefunden hat, daraus ein Bedrohungsmärchen durch die „Hollywood-Greuelpropaganda" zu zimmern, die ausgerechnet uns gemeinerweise an den Waldheim-Pranger stellt. Pah! Schande über dich, Troma-Hollywood! Wie weit Lloyd Kaufman und Troma tatsächlich von der Traumfabrik entfernt sind, kann man in unserem VICE-Interview nachlesen; aber das tut wohl, genau wie Fakten generell, wenig zur Sache, wenn es um die Unterstellung von ausländischer Vernaderung geht. Insofern ist der Film auch heute noch auf ganz andere Art politisch als die Nazis (oder Surfer) im Titel suggerieren. Mehr dazu erfahrt ihr vor Ort beim Screening, das übrigens von VICE präsentiert wird.

Wir verlosen 5x2 Tickets für alle hier genannten Filme und Vorstellungen. Schreibt uns einfach eine E-Mail mit den Filmtiteln im Betreff an win@vice.at.