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Interview

Pablo Escobars Sohn hat uns erzählt, wie sein Vater Schiedsrichter am liebsten bedroht hat

Escobar war nicht nur Drogenboss, sondern auch Fußballfanatiker. Sein eigenes Talent war überschaubar. Aber nicht schlimm, wenn man Schiri UND Spieler ist—und die Gegenspieler Todesangst haben.

Pablo Emilio Escobar Gaviria war einer der reichsten Männer und einer der berüchtigtsten Kriminellen der Welt. Der Einfluss des schier allmächtigen Drogenbosses zog sich durch die gesamte kolumbianische Gesellschaft. „Narcos"-Fans wissen Bescheid.

Auch der Sport war davon nicht ausgenommen. Escobars große Leidenschaft war der Fußball. Von seiner Beziehung zur schönsten Nebensache der Welt gibt es 1001 Anekdoten und Gerüchte. Wen bisher noch keiner gefragt hat, ist seinen Sohn Juan Pablo Escobar. Der wich seinem Vater während der Kindheit und Jugend nicht von der Seite—und sollte deswegen wissen, was Escobar gemacht hat und was nicht. Aus diesem Grund hat sich VICE Sports mit Escobar junior zusammengesetzt und erfahren, für welche Mannschaft sein Vater wirklich Fan war, dass dieser vor wichtigen Spielen auch schon mal Auftragskiller zum Schiri schickte (aber nicht zum Töten) und warum Kicken mit seinem Vater Fremdschämen pur war.

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Juan Pablo Escobar zusammen mit seinem Vater. Foto mit freundlicher Genehmigung der Familie Marroquin Santos

VICE Sports: Hallo Juan Pablo, welches Verhältnis hatte dein Vater zur Sportwelt?
Juan Pablo Escobar: Mein Vater war mit vielen Fußballern und anderen Sportlern befreundet, weil er viele Sportevents zugunsten der sozial Benachteiligten in Medellín austragen ließ. Mit den Sportlern freundete er sich an, weil er sie zu den Treffen und den Spielen einlud. Mehr war es nicht.

Würdest du ihn als Fußballverrückten bezeichnen?
Ja, er war schon fanatisch. Ihm gefiel es, sich die Spiele anzuschauen, aber auch selbst zu spielen. Daher war er ein Fan wie jeder andere.

Du hast mit ihm bestimmt viele Spiele angeschaut. Hatte er ein spezielles Ritual?
Er hat nie Bier oder etwas Ähnliches getrunken, sondern saß einfach nur auf der Couch, wenn das Spiel begann. Wenn es ihm möglich war, schaute er die Spiele zusammen mit Freunden. Ich erinnere mich vor allem an den kolumbianischen 5:0-Sieg über Argentinien.

Weißt du noch, wie ihr den Sieg gefeiert habt?
Na klar. An diesem Tag hat ganz Kolumbien gefeiert. Obwohl er eher ruhig war, feierte er die Tore—allerdings nicht so euphorisch wie der Rest des Landes.

Ihr Vater wurde mit Atlético Nacional und Medellín in Verbindung gebracht. Von welchem Verein war er wirklich ein Fan?
Von Deportivo Independiente de Medellín, weil das Team den Namen seiner Stadt trug.

Aber mehrere Serien und Dokumente drehen sich um seine Verbindungen zu Nacional. Ist da nichts dran?
Nein. Ich würde die Dokumente gerne einmal sehen, die die Verbindung zwischen meinem Vater und Nacional belegen sollen. Ich weiß nicht, warum alle denken, dass sie das komplette Leben von Pablo Escobar kennen—obwohl sie offensichtlich keine Ahnung haben. Das zeigt einfach nur das Niveau, das viele an den Tag legen. Sie kennen nicht mal die Lieblingsmannschaft von Pablo.

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Es gibt nur wenige Bilder von ihm im Stadion. Hat er dich ab und zu mal mit ins Stadion genommen?
Natürlich. Wir waren aber nicht oft im Stadion. In der Zeit, als wir in den Untergrund flüchten mussten, natürlich gar nicht mehr. Ich ging mit ihm in verschiedene Stadien, vor allem in seiner Zeit als Politiker. Die ganze Welt hat ihm applaudiert und zugejubelt. Sie brüllten seinen Namen lauter als den des Vereins. Ich hatte das Gefühl, dass alle ihn liebten.

Die Ausführungen von Pablo Escobars Sohn unterscheiden sich von anderen, die sich um seinen Vater drehen. John Jairo Velásquez alias „Popeye", einer seiner Auftragskiller, bezeichnete Escobar als Wassermelonen-Fan: Manchmal war er ein Fan von Nacional—mit ihren grünen Trikots—, manchmal aber auch von Medellín—mit den roten Jerseys. Je nach Freund oder Geschäftspartner soll er abgewogen haben, welcher Verein besser zum Anlass passen würde.

Glaubst du, er hat den Fußball für seine Geschäfte benutzt?
Es gab keine Verwicklungen zwischen dem Fußball und den Geschäften meines Vaters. Das hatte einen einfachen Grund: Er war an legalen Geschäften nicht interessiert, weil ihm diese kein Geld brachten. Egal, wer dir sagt, dass Pablo in legale Geschäfte involviert war, er lügt.

Aber könnte er nicht den Fußball dazu benutzt haben, um sein Geld zu waschen?
Mein Vater hat sich nie für sauberes Geld interessiert. Er war zufrieden mit dem, was er hatte. Wenn nur schmutziges Geld im Umlauf war, warum sollte er sich dann die Mühe machen, es zu waschen?

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Eine Anschuldigung gegen deinen Vater lautete, dass er ein Spiel bei der Copa Libertadores 1989 geschoben haben soll. Atlético Nacional gewann damals im Elfmeterschießen…
Nein, meinem Vater gehörten ja nicht sämtliche Spieler und Vereine, außerdem war er auch nicht auf dieser Ebene im Fußball involviert. Ich weiß nur, dass er einmal Leute losschickte, um einem Schiedsrichter zu sagen, dass er gut pfeifen soll.

Entschuldige, auf welchen Schiedsrichter beziehst du dich?
Auf den, der das Finale des Turniers gepfiffen hat. Er hat ihm nicht gesagt, für wen er pfeifen soll, sondern nur, dass er gerecht sein soll—falls nicht sollte er besser auf sich aufpassen. [Der besagte Schiedsrichter war der Argentinier Juan Carlos Loustau]

Was für Leute hat er geschickt und womit hat er gedroht?
Zwei Gangster. Ich verstehe, dass die Leute es immer erstmal als Drohung aufgefasst haben, wenn jemand von Pablo Escobar geschickt wurde. Das war aber sicherlich nicht seine Absicht. Er wollte nicht für eine der Mannschaften das Spiel kaufen, sondern nur sicherstellen, dass das bessere Team gewinnt.

Ein Mannschaftsfoto von Atlético Nacional aus dem Jahr 1989, als der Klub die Copa Libertadores für Kolumbien gewinnen konnte. Foto: As Colombia

Und dein Vater hat auch nie einem Spieler oder Verein geholfen, der in finanzielle Not geraten war?
Egal, wie sehr mein Vater den Fußball geliebt hat, am Ende war er nur ein einfacher Fan, der sich gerne Spiele angeschaut hat und mit Profis befreundet war.

Hat er viele Fußballer getroffen?
Als er im Gefängnis „La Catedral" saß, bekam er Besuch von fast allen Spielern der kolumbianischen Nationalmannschaft. Selbst als er auf der Flucht war, haben ihn noch einige Spieler besucht. Es ging aber nur darum, einen Freund zu besuchen, nicht um Geschäfte zu machen.

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Hatte Pablo Escobar einen Lieblingssportler?
Ich glaube nicht, er war aber eng mit René Higuita befreundet.

War dein Vater ein guter Fußballer?
Das ist schwer zu sagen. Auf jeden Fall hat er gern Tore geschossen—und fast keiner hat ihn davon abhalten wollen. Es war sehr lustig, ihm beim Kicken zuzuschauen, weil er im Grunde genommen der Schiri auf dem Platz war. Er bestimmte, ob es ein Tor war oder nicht. Und wenn seine Mannschaft zurücklag, konnte ein Spiel auch schon mal drei oder vier Stunden dauern. Bis seine Mannschaft eben gewonnen hatte. Und wenn nötig befahl er einem torgefährlichen Stürmer der Gegnermannschaft einfach, umgehend für sein Team zu spielen.

Foto: El Tiempo

Ein Ex-Killer vom Drogenkartell deines Vaters, John Jairo Velásquez „Popeye", hat behauptet, dass er auch mal einen Schiedsrichter umbringen sollte.
Da ist nichts dran. Es gibt viele Personen, die vorgeben, meinen Vater sehr gut gekannt zu haben, auch wenn sie ihm in Wirklichkeit gar nicht so nahe standen. Und dazu gehört auch „Popeye", auch wenn die Medien ihm gerne glauben wollen.

Um es klarzustellen: Dein Vater hat deiner Meinung nach also kein Geld in den Fußball gesteckt?
Es gibt hier keine zwei Wahrheiten. Es gibt nur diejenigen, die die Wahrheit sagen, und diejenigen, die lügen. Ich bin mit meinem Vater aufgewachsen und habe mein ganzes Leben an seiner Seite verbracht. Ich weiß, was er getan hat und was nicht.

Aber denkst du nicht, dass die Folgen aus dem Drogengeld bis heute den Fußball beschmutzen?
Natürlich. Es steht außer Frage, dass der Drogenhandel in vielen Bereichen in den Fußball verwickelt ist. Auch noch heute, und das nicht nur in Kolumbien. Aber an solchen schmutzigen Geschäften war mein Vater nicht interessiert. Als Klubbesitzer hast du vielleicht ein Interesse daran, ein Spiel zu kaufen. Aber als Fan, so wie mein Vater es war, machst du einfach nur den Fernseher an und fieberst mit deinem Team mit.

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Häufig ist von den Sportplätzen die Rede, die dein Vater in den ärmlichen Vierteln errichten ließ. Waren die wichtig, um seine Beliebtheit in den unteren Bevölkerungsschichten zu stärken?
Natürlich, aber sie haben nicht nur seinem Ansehen, sondern de facto auch der Bevölkerung geholfen. Mein Vater hat mit seinem Geld mehr für das Volk getan, als es jemals eine Regierung geschafft hat.

Hörte er auch Fußballübertragungen, als ihr auf der Flucht wart?
Ja, Helikopter konnten schon auf ihn schießen, trotzdem wollte er das Spiel weiterhören. Das wurde mir zumindest erzählt.

Interessierte er sich auch für ausländische Fußballligen?
Nein, sein Interesse galt dem lokalen Sport.

Und spielte er mit dir, als du klein warst?
Ja, anfangs hatte er auch noch mehr Zeit, später haben wir nur noch selten zusammen gespielt. Trotzdem war mein alter Herr ein großartiger Vater, der mir viel Liebe gab und mich zu einem guten Menschen erzogen hat.

***

Bis vor Kurzem hatte sich der Sohn von Pablo Escobar noch nie zu der Verbindung seines Vaters zum Fußball geäußert. Und einige seiner Antworten ergänzen und bestätigen Gerüchte um Escobar senior. So hat er den Gewinn der Copa Libertadores 1989 wahrscheinlich nicht erkauft, andererseits spielte es Atlético Nacional durchaus in die Karten, dass man zwei Killer zum Schiri schickte, um diesen einzuschüchtern.

Und auch wenn er „Popeye" in vielen Dingen diskreditiert, so bestätigt Juan Pablo Escobar doch dessen Aussage, dass sein Vater so fußballfixiert war, dass er auch dann noch am Radio kleben blieb, als ihm das Militär schon auf den Fersen war.

Außerdem bestätigt er, dass sein Vater—auch wenn er angeblich in der Welt des Fußballs keinerlei Geschäfte machte—auf Du und Du mit etlichen Nationalspielern stand. Auch mit dem damaligen Nationaltrainer Francisco Maturana soll er eng befreundet gewesen sein. Dieser hatte berichtet, dass auch der Fußball ein Spiegelbild des von Drogen und Gewalt bestimmten Kolumbiens zur Zeit Escobars gewesen sei.

„Der Fußball ist ein Produkt der Gesellschaft, und im Fall Kolumbiens einer total zerrütteten Gesellschaft", so Maturana. Der Drogenhandel—und damit auch, ob nun auf direktem oder indirektem Wege, die Machenschaften von Pablo Escobar—beeinflussten den Fußball. Eine Tatsache, die nicht mal sein Sohn leugnen kann.