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Ich habe mehrere Crackdealer gedatet

Drogendealer machen am liebsten gar nichts und hängen gern zuhause ab. Das schnelle Geld und der vermeintliche Ruhm sind bloß Fassade. Dahinter stecken oft gewaltbereite Penner. Wir haben mit einer jungen Kanadierin gesprochen, die bereits mit mehreren...

Illustration von Rob Ondzik

Diese Geschichte stammt aus Kanada, das Mädchen möchte aber aus ziemlich offensichtlichen Gründen trotzdem anonym bleiben. 

Erst letzte Woche war ich mit meinem Ex in einem Crackhaus in British Columbia. Die Vordertür schien mit Einschusslöchern übersät zu sein, aber sicher bin ich mir dabei nicht. Es gab auch viele unerklärliche Löcher in der Wand. Manche davon waren beinahe so groß, dass ich durch gepasst hätte. Die ganze Bude roch leicht nach Ammoniak und schmutziger Wäsche. Ich hing im Wohnzimmer ab, während die anderen alle in der Küche waren. Auf einer Herdplatte haben sie Crack gekocht, auf der anderen daneben ihr Abendessen. Ich fand das irgendwie witzig, aber ich musste mich auch fragen, was ich überhaupt da wollte. Ich mir das alles nicht ausgesucht. Ich glaube, ich ziehe solchen Mist einfach an.

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Crackdealer haben den Hang meine Nähe zu suchen. Ich jage ihnen bestimmt nicht hinterher. Es ist nicht so, als hätte ich jemals zu mir gesagt: „Ab jetzt date ich nur noch Crackdealer!“ Aber wenn du einen triffst, triffst du auch viele andere. Und dann fängst du an, mit ihnen auszugehen.

Manche von ihnen habe ich über meine Freunde kennengelernt, manche zufällig in einem Club oder einer Bar oder eben einfach auf der Straße. Ich selbst rauche kein Crack. Darum geht’s mir nicht. Ich hab das nicht mal ausgetestet, werde es wahrscheinlich auch nie. Ich glaube, ich treff mich mit ihnen, weil ich auf ihre Persönlichkeiten stehe. Vielleicht ist das so, weil ich gedacht habe, es würde aufregend sein—aber eigentlich ist es irgendwie langweilig. Die wollen alle  immer nur abhängen. Sie sind immer so müde. Die wollen einfach gar nichts machen, haben nicht einmal Zeit zum Schlafen, geschweige denn Spaß.

Beim ersten Mal, als ein Crackdealer auf mich zukam, war ich gerade mal 19 Jahre alt und auf einer Party irgendwo im Osten von Vancouver unterwegs. Es war ein Freund einer Freundin. Ich hielt ihn für ziemlich taff. Er hatte Muskeln und ein ärmelloses Hemd an. Das mochte ich. Wir waren ein paar Jahre zusammen. Er war mein letzter wirklich fester Freund. Niemand hat mich seitdem solange ausgehalten.

Er war ein richtiger Vollzeitdealer und hat auf der Straße gearbeitet, meistens in der Gegend von Dowtown Eastside, aber es ging nie um große Geschäfte. Dealer können hier in Vancouver nicht so viel Geld machen. Wenn du wirklich Geld verdienen willst, muss du von hier verschwinden. Du musst nach Sasktchewan. Da liegt das wahre Geld vergraben. Ich hab gehört, es sei harte Arbeit. Man ist viel zu Fuß unterwegs und schläft manchmal tagelang nicht. Aber wenn du zurück kommst, hast du Tonnen von Geld im Gepäck. Du kannst da zwischen 10.000 und 20.000 Dollar in der Woche mache. Die Leute dort haben nichts zu tun. Nach der Arbeit wollen sie einfach einfach eine Pfeife rauchen. Ich denke, dort gibt es einfach weniger Wettbewerb als hier, weil Vancouver auch viel größer ist.  Außerdem ist Vancouver eine Hafenstadt. Alle Drogen landen hier, also gibt’s auch viele Dealer.

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Illustration von Lyndsay Pomerantz

Ich hab mich mal eine Zeit lang mit jemandem getroffen, der regelmäßig nach Saskatchewan ging um Drogen zu verkaufen. Der war steinreich. An unserem ersten Date hat der locker über 1000 Dollar ausgegeben. Er hat das Geld einfach zum Fenster raus geschmissen, als ob es ihm nichts ausmache. Er hat mir alles gekauft, was ich haben wollte. Wir sind mit einer Limousine herumgefahren… Es war verrückt. Wir waren ständig in so schickimicki Restaurants essen und die ganzen Weißen da haben sich gedacht: „Wer hat die Ghettoratten hier rein gelassen?“ Das war echt lustig. Er war aber nie wirklich lange in der Stadt, also hab ich ihn nur ein paar mal im Jahr gesehen. Ich glaube, wenn ich mich jemals dazu entschließen sollte, sesshaft zu werden und eine Hausfrau zu sein, würde ich ihn heiraten.

Aber selbst mit ihm gab es nicht nur Limousine und teure Abendessen. Er war richtig gewalttätig. Er hat mir immer Geschichten erzählt über die Zeit, als er im Knast war. Dort hat er mit einem Vergewaltiger oder Kinderficker oder sonst wem Schrecklichen gesprochen. Er sagt, er hätte den Typen fast umgebracht. Seinen Erzählungen nach, schlitzte er dem Typen mit einem Messer den Hals auf. Er war verrückt. Und er war verdammt groß.

Ich hab dann noch einen Crackdealer gedatet, den ich immer „Kunsthochschulen Boy“ genannt hab. Er war ein sensibler Gangster. Er war nicht für's Dealen gemacht. Man braucht eine gewisse Persönlichkeit, um Erfolg zu haben und Geld zu verdienen. Einmal, zum Beispiel, wollte er damit aufhören und hatte einen normalen Job. Dann kam er an die Uni, wurde aber letztendlich wieder zurück ins Dealen gezogen. Ich glaube, wenn du umgeben von anderen Crackdealern bist, ist es schwer dort auszusteigen. Es übernimmt dein ganzes Leben, alle deine Freunde machen es auch und dein ganzer Lifestyle dreht sich um Crack. Wenn du nichts anderes findest, was bleibt dir dann noch übrig?

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Du willst einen normalen Job, aber du schaffst es nicht, weil du eine Polizeiakte hast. Niemand wird dich einstellen. Was machst du dann? Du gehst wieder Crack dealen. Es ist ein scheiß Teufelskreis. Zudem sind die meisten auch noch abhängig nach dem schnellen Geld. Diese gleiche Art an Befriedigung kannst du niemals in einem normalen Job bekommen.

Jeder fragt mich immer nach dem kranken Scheiß, den ich schon mitbekommen haben muss, aber nichts von dem wirklich kranken Scheiß passiert, wenn ich dabei bin. Ich hab schon viele Kämpfe gesehen und einmal, wie jemand Heroin verpackt hat… Ich denke, das war ziemlich krass. Er hat Lottoscheine genommen und daraus kleine Umschläge gebastelt und das Heroin darein gefüllt. Ich hab ihm sogar dabei geholfen.

Illustration von Lyndsay Pomerantz

Für eine Zeit lang war ich auch Fahrer. Ich hab meinen Freund und dessen Freunde im Toyota meiner Mutter durch die Gegend gefahren, während sie ihre Lieferungen machten. Das war, als ich nicht viel zu arbeiten hatte. Ihr würdet staunen, wenn ihr seht, wer alles Crack raucht! Die meisten Leute würden annehmen, dass ein typischer Cracksüchtiger jemand ist, der unter der Brücke lebt, aber wir haben auch an ganz normale Leute mit wirklich schönen Häusern geliefert. Ich weiß noch, einmal hatte ich nichts zu tun und habe die ganze Nach bei den Lieferungen ausgeholfen. Wir mussten dann allein drei oder viermal zu dem Haus von einem Typen. Der war so unglaublichhöflich. Auch normale Leute mögen Crack.

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Natürlich hab ich mir auch Sorgen gemacht, dass die Cops uns dabei erwischen, aber das ist zum Glück nie passiert. Falls doch, wusste ich, dass ich keinen Ärger bekommen würde. Ich hatte nie etwas bei mir und musste auch noch nie etwas aufbewahren. Manchmal, wenn die Cops an uns vorbeifuhren, musste ich ein Handy in meine Tasche stecken. Ich glaube aber nicht, dass mich die anderen jemals in Gefahr gebracht hätten, indem sie mir Drogen oder sonst was untergejubelt hätten. Das hätten die mir nie angetan.

Schlussendlich hat keine dieser Beziehungen funktioniert. Sie sind aber nicht einfach wegen dem Dealen gescheitert—das haben sie ja schon gemacht, als ich sie kennenlernte—sondern wegen anderen Dingen, die der Drogenhandel so mitbringt. Zum Beispiel wenn man herausfindet, dass der Typ einen Hang zur Gewalttätigkeit hat. Ich möchte mit niemandem zusammen sein, der gewalttätig ist.

Viele von den Typen hatten auch nicht viel Zeit für mich übrig, was ok ist, weil ich auch Zeit für mich brauche, aber manchmal hat es mich auch gestört. Und ich hasse es, das zuzugeben, aber wenn jemals einer von ihnen im Gefängnis gelandet wäre, hätte ich nicht auf sie warten können. Ich musste nie auf jemanden warten. Ich habe immer rechtzeitig Schluss gemacht, bevor einer eingesperrt wurde.

Ich kenne ein Mädchen, dessen Freund eineinhalb Jahre im Gefängnis war. Sie hat auf ihn gewartet. Sie war ein wirkliches Alles-oder-nichts-Mädel. Sie war ihm so treu, dass sie ihn jeden Tag besuchte. Als er heraus kam, bemerkte sie, dass sie gefangen war. Sie lebte auf seine Kosten und wollte viel erleben, doch er ließ sie nicht. Er hat sie nicht sehr gut behandelt, obwohl sie auf ihn gewartet hatte. Ich hab gehört, dass sie jetzt als Escort arbeitet. Das würde ich bei mir nie zulassen.

Ich versuche auch aus der Szene auszubrechen. Ich gehe wieder zur Uni und ich treff mich zur Zeit mit einem vollkommen normalen Typen. Er arbeitet als Kundenbetreuer und hört gerne Drake. Wir hängen gemeinsam ab, es ist nichts wirklich Ernstes; aber es fühlt sich seltsam an, einen Normalo zu daten. Es fällt mir schwer meinen alten Freunden nicht zurückzuschreiben, wenn sie sich bei mir melden. Und es stört mich wirklich, wenn Typen es sich nicht leisten können, mich in schicken Orten auszuführen und mein Essen zu bezahlen. Wahrscheinlich ich bin auch süchtig nach dem schnellen Geld.

Einen Crackdealer zu daten ist nicht glamourös, aber es fühlt sich so an. Ich kam mir immer so vor wie eines dieser Mädchen aus einem Rapvideo, hörig und zu meinem Mann stehend, der mich ausführt und mir alles bezahlt. Ich war die Art von Mädchen, über die Rapper ihre Texte schreiben. Heute finde ich das alles nicht mehr glamourös. Es ist schmutzig. Ich fühl mich so, als stecke ich in einem Märchen fest, an das ich selbst nicht mehr glaube. Der einzig reizvolle Teil daran ist das Geld. Manche Typen verstecken ihr Geld in ihrer Sockenschublade, andere in der Rückwand ihres Schranks. Aber manchmal wenn ich das Geld sah, Stapel von Bargeld, Tausende von Dollar, war es einfach irgendwie… whoa. Ich fühlte mich wichtig, indem ich einfach nur mit diesem Geld im selben Raum war. Ich glaubte, ich tue etwas richtiges.