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Drogen

Opioide im Kopf könnten der Grund für Fettleibigkeit sein

Das Gehirn macht, was es will. Und es will wohl immer high sein.
Foto: imago | Zuma Press

Ständig hört man, wie böse und schädlich diese Opioide sind. Und bei den synthetischen Versionen stimmt das ja auch oft – davon kann Nordamerika zur Zeit ein trauriges Lied singen. Aber die Opioide, die unser Körper auf natürlichem Wege herstellt, wie etwa Endorphine, machen das Leben erst schön. Sie durchfluten unser Nervensystem mit wohligen Gefühlen, wenn wir Musik hören, Sex haben oder Pizza essen.

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So oder so ähnlich dürfte das bereits vielen bekannt sein. Aber weil es hier um unsere Gefühle geht, gehen wir automatisch davon aus, dass ein Stück Pizza unsere körpereigene Drogenproduktion mehr ankurbelt als etwas weniger schmackhaftes. Finnische Forscher ziehen das mit einer neuen Studie in Zweifel. Ihre Ergebnisse sind womöglich ein großer Schritt für Forschungsbereiche rund um Ernährung, Übergewicht und Sucht. Die Sucht hat wohl nicht so viel mit dem Geschmack zu tun, wie man immer dachte.

Ein Team vom Turku PET Centre hat vor Kurzem eine Studie im Journal of Neuroscience veröffentlicht, die da heißt: "Nahrungsaufnahme setzt beim Menschen endogene Opioide frei." Das allein ist noch nicht sonderlich überraschend, aber bei genauerem Hinsehen sind die Ergebnisse des Experiments sehr interessant.

Das "PET" im Namen des Turku PET Centre steht für Positronen-Emissions-Tomographie. Dieses Verfahren kann biochemische Vorgänge mithilfe radioaktiv markierter Substanzen im Körper sichtbar machen. Die Forscher in Turku injizierten ihren Probanden ein solches Präparat, das sich an die Opioid-Rezeptoren im Gehirn hängt. Durch eine PET-Kamera konnten sie beobachten, wie viel körpereigenes Opioid den Studienteilnehmern zu drei verschiedenen Zeitpunkten durchs Hirn schwappte: morgens auf nüchternen Magen, nach einem geschmacklosen, kalorienreichen Nährstoff-Shake und nach dem Konsum von Pizza.

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Es war aber nicht irgendeine Pizza. Die Wissenschaftler schreiben klipp und klar, sie hätten "köstliche" Pizza ausgewählt, um bei den Probanden eine wohlige Reaktion auszulösen. Und es funktionierte: "Der Verzehr einer köstlichen Pizza führte zu einem signifikanten Anstieg des Wohlgefühls." Bei dem faden Nährstoff-Getränk war das nicht der Fall. Immer noch kein wirklicher Schocker.

Aber die Nuklearmedizin enthüllt eine Tatsache, die durchaus überrascht: Im Gehirn setzte der Nährstoff-Shake mehr Opioide frei als die Pizza, "selbst wenn subjektives Behagen bei der Nahrungsaufnahme ausblieb". Unser Körper schüttet also immer Opioide (wie etwa Endorphine) aus, wenn wir essen, egal wie gut es schmeckt, und die Menge der Botenstoffe ist nicht an unsere bewussten Emotionen gekoppelt. Diese Erkenntnis könnte einen riesigen Einfluss auf die Forschung im Bereich der Essstörungen haben.

Der Forscher Lauri Nummenmaa erklärt in einer Pressemitteilung: "Das Opioid-System reguliert den Appetit und das Essverhalten. Bisher war uns bekannt, dass eine Fehlfunktion dieses Systems ein Kennzeichen der Fettleibigkeit ist. Diese Ergebnisse legen nahe, dass übermäßiges Essen auf lange Sicht das Opioid-System überstimuliert und so zur Entstehung der Fettleibigkeit beiträgt."

"Es war überraschend, dass Endorphine im gesamten Gehirn freigesetzt werden, und dass der Nährstoff-Shake einen stärkeren Effekt erzielte", sagt der Mitautor Jetro Tuulari. "Dies bildet die Grundlage für weitere Forschung. Hoffentlich werden wir eingehender studieren können, wie Sucht, Übergewicht und Essstörungen entstehen, und welche Einflussfaktoren es hier gibt."

Die Forscher hoffen, mit ihren Erkenntnissen die Entwicklung neuer Therapieformen anzustoßen. Sicher ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir bestimmte Ursachen für krankhaftes Essverhalten im Gehirn ausknipsen können. So lange wir deswegen nicht ganz auf köstliche Pizza verzichten müssen …