3 Fotos von polizeikritischen Tattoos, Menschen erzählen, warum sie sich haben stechen lassen
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von den Interviewten bereitgestellt
Menschen

Wir haben Menschen gefragt, warum sie ACAB-Tattoos haben

Für manche ist es ein ästhetisches Statement, für andere ein Andenken an unangenehme Begegnungen mit der Polizei.
Gabrielle Delreux
Ghent, BE

Rassistische Kontrollen, unverhältnismäßige Gewalt, Machtmissbrauch: Es gibt viele Gründe, die Polizei zu kritisieren. Man muss kein Antifa-Mitglied sein, um es problematisch zu finden, dass es zum Beispiel in Deutschland immer noch keine unabhängige Beschwerdestelle gibt, wenn man sich von der Polizei ungerecht behandelt fühlt. In Österreich soll so was immerhin noch dieses Jahr kommen, in Deutschland gehen Beschwerden über die Polizei bislang weiterhin nur … über die Polizei. Aber die Motivation, neutral gegen die eigenen Kolleginnen und Kollegen zu ermitteln, dürfte womöglich eher mittelstark ausgeprägt sein.

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Einige Menschen haben eine so große Abneigung gegen die Polizei, dass sie diese auf ihrer Haut verewigt haben – in Kürzeln, Codes oder expliziten Bildern. Unsere belgische Kollegin Gabrielle Delreux hat einige von ihnen gefragt, was sie dazu gebracht hat. Die Interviewten wollten entweder ganz anonym bleiben oder ihre vollen Namen nicht öffentlich nennen.

Daan, 28, Fachkraft für die Aufbereitung von Medizinprodukten

Ein Tattoo auf dem Oberkörper eines Mannes mit toten New Yorker Polizisten, die an einem Fleischerhaken hängen

Foto: Daan

VICE: Kannst du dein Tattoo beschreiben?
Daan:
Tote Cops, die an Fleischerhaken hängen. 

Alle Gründe, warum die Polizei so kaputt ist

Warum hast du dir das stechen lassen?
Schau dir nur mal die Nachrichten der letzten Zeit an. Letztens erst wurden 16 Bullen in Antwerpen, wo ich wohne, wegen Belästigung verurteilt. Es gibt immer noch zu viele Polizisten, die ihre Macht missbrauchen. Wenn du dir einen bestimmten Job aussuchst, dann weißt du doch auch, was für eine Verantwortung damit einhergeht. Wenn du die Belastung oder den Stress nicht aushältst, dann such dir was anderes. 

Hast du nicht Angst, dass du das Tattoo später mal bereust?
Nein, ich bereue nichts. Vielleicht später mal, aber ich bin ja noch jung. Letztendlich ist es auch nur ein Tattoo auf meiner Haut. 

Wissen deine Eltern davon?
Nein, ich glaube, die würden mich verstoßen. Meine Freundin ist auch überhaupt kein Fan davon.

Amore Flow (Spitzname, Alter und Beruf nicht angegeben)

Zwei Fotos mit Tattoos: Links, drei Punkte auf einem Arm; rechts: ACAB auf der Innenseite der Unterlippe

Foto: Amore Flow

VICE: Was für Tattoos hast du?
Amore Flow:
Dieses Symbol mit den drei Punkten steht in Frankreich für "Mort aux vaches", also "Tod den Bullen", und dann habe ich noch 1312 auf der Lippe, das steht für ACAB, also die Position der jeweiligen Buchstaben im Alphabet. 

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Wie würdest du die Polizei reformieren, wenn du könntest?
Ich würde sie alle Shorts tragen lassen und sie nur noch für häusliche Notfälle anrufen.

Beatriz, 25, Programmiererin

Eine kleine Tätowierung mit "1312" über einem Knöchel

Foto: Beatriz

VICE: Warum hast du dir das Tattoo stechen lassen?
Beatriz:
Meine Hautfarbe trägt nicht gerade dazu bei, respektvoll von der Polizei behandelt zu werden. Ich bin halb portugiesisch und halb angolanisch. Ich habe Sozialwissenschaften studiert und mich auf -ismen und -phobien spezialisiert, sowie forensische Wissenschaften. Durch meine Spezialisierung habe ich viel über die Denkweise von Polizisten und ihre psychischen Tendenzen gelernt. Und um ehrlich zu sein … die sind krank. Es ist nicht der Job, der sie zu Schweinen macht. Sie waren schon Schweine, bevor sie mit dem Job angefangen haben. 

Du fühlst dich also nicht gerade sicherer, wenn die Polizei in der Nähe ist?
Überhaupt nicht. Ich sehe 24/7, wie Verbrechen vor meinem Haus begangen werden. Die Polizei patrouilliert ständig durch meine Straße, aber sie halten nie an. Nur wenn sie etwas im Supermarkt kaufen wollen oder um Menschen ohne Ausweispapiere zu sagen, dass sie hier nicht rumlungern sollen. 

Was würdest du an der Polizei ändern?
Findest du es nicht auch komisch, dass Ärzte teilweise erst zehn Jahre studieren müssen, bevor sie unser Leben in ihren Händen halten, aber Polizisten, die uns beschützen sollen, nur eine kurze Ausbildung bekommen?

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Am wichtigsten wäre, bei ihrer Ausbildung sozialwissenschaftliche Aspekte in den Mittelpunkt zu stellen, damit sie verstehen, wie viel von ihrer Arbeit auf einem System von Privilegien basiert. 

Toto (Spitzname), 30, selbstständig

Ein Tattoo von einem Schwein mit Polizeihelm und Knüppel

Foto: Toto

VICE: Was hast du für ein Problem mit der Polizei?
Toto:
Die Polizei ist Teil eines Systems, das die Unterdrückung aufrechterhält. Sie ist dazu da, die Interessen der Reichen durchzusetzen und die Arbeiterklasse in Schach zu halten. Sie ist eine rassistische und gewalttätige Miliz. 

Fühlst du dich sicher in Gegenwart der Polizei?
Wenn man den wahren Zweck der Polizei kennt, ist es schwer, sich sicher zu fühlen. Aber um mich musst du dir keine Sorgen machen. 

Wofür steht dein Tattoo?
Ich habe dieses Schwein seit zwei Jahren. Ein Freund hat es als Flash entworfen und ich habe es mir sofort reserviert. Es ist eine verspielte Anspielung auf das englische Schimpfwort für Cops: Pigs, also Schweine. Das trifft es ziemlich gut, wenn du dir anschaust, wie sie sich verhalten.

Matéo, 26, Social Media Editor bei VICE

Ein Tattoo mit der Zahl 1312 auf der Innenseite eines Oberarms

Foto: Matéo

VICE: Warum hast du dir das Tattoo stechen lassen?
Matéo:
Ich bin schon mehrmals grundlos von Bullen angegriffen worden. Besonders traumatisiert hat mich ein Erlebnis: Ein Freund und ich haben uns den verlassenen Teil des Bahnhofs Schaerbeek in Brüssel angeschaut und ein paar Fotos gemacht. Eine halbe Stunde später waren wir schon wieder auf dem Weg nach draußen, als beim Verlassen des Geländes ein Polizei-Bus auf uns zukam. Fünf oder sechs Beamte stiegen aus und schrien uns an, dass wir unsere Hände hoch halten sollen. Einer von ihnen presste dann mit Gewalt unsere Gesichter gegen eine Wand. Nach ein paar Minuten hörte ich einen Polizisten sagen: "Wir haben nichts gegen die in der Hand, wir haben sie nicht bei frischer Tat erwischt." 

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Heftig …
Damit hätte es gut sein können, aber als wir mit dem Zug zurück ins Stadtzentrum fuhren, bekam ich ein schlechtes Gefühl. Als wir am Gare du Nord ankamen, wo es in der Regel vor zwielichtigen Gestalten nur so wimmelt, bemerkte ich, wie uns eine Streife aus der Ferne beobachtete. Wir wurden wieder festgenommen und bekamen dieselben Fragen gestellt wie davor. Nach ein paar Minuten ließen sie uns wieder gehen, allerdings nicht ohne eine kleine fremdenfeindliche Bemerkung. 

Du hast dir das Tattoo also nach dem Erlebnis stechen lassen?
Ja, kurz danach. Ich habe mich mit einem Kumpel auf ein Bier getroffen und über die ganzen Situationen gesprochen, in denen wir uns gewünscht hatten, dass sich auch die Polizei vor dem Gesetz verantworten muss. 

Was frustriert dich am meisten?
Es sollte so was wie erschwerende Umstände geben, wenn eine Person in einer öffentlichen Autoritätsposition ein Verbrechen begeht. Ich finde, die Polizei ist viel zu sehr geschützt. Das Misstrauen gegenüber der Polizei ist für Minderheiten wie mich fast schon ein Überlebensinstinkt geworden. Falls ihr existieren solltet, gute Bullen, dann wehrt euch und beweist, dass ihr keine Hunde seid.

Bee (Spitzname), 31, Tätowierer

Tattoo in roter Tinte auf einem Wadenbein mit einem Esel, der vor einer Tafel mit den Buchstaben "ACAB" steht

Foto: Bee

VICE: Was ist die Geschichte hinter deinem Tattoo?
Bee:
Das war ein Flash, das ich mir im Austausch mit einem anderen Künstler habe stechen lassen. Ich fand das Design einfach cool. 

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Fühlst du dich sicherer, wenn Polizei in der Nähe ist?
Nein, vor allem nicht in der aktuellen Situation in Frankreich, wo ich herkomme. Die Polizei ist hier besonders brutal gegen eine Reihe von Regierungsprotesten vorgegangen. Abgesehen davon haben sie mir nie geholfen, wenn ich sie mal gebraucht habe. Ganz im Gegenteil. 

Was ist deine Meinung zur Polizei?
Ich hasse nicht die Individuen selbst, aber ich hasse die moderne Institution der Polizei mit ihrer Brutalität, der ungleichen Behandlung, dem Rassismus und vielen anderen Dingen.

Antoine, 31, Musiker

Tätowierung auf einem Unterarm mit vier Würfeln, die die Zahlen 1,3,1 und 2 zeigen

Foto: Antoine

VICE: Warum hast du dir das Tattoo mit den 1312-Würfeln stechen lassen?
Antoine:
Ich stamme vom Südufer von Quebec City in Kanada. Obwohl das eine ziemlich friedliche Vorstadt ist, ist die Polizei dort übertrieben aggressiv. Als Teenager wurde ich grundlos sieben- oder achtmal angehalten und kontrolliert. Ich war also eh schon kein großer Fan der Polizei, aber ein Erlebnis hat mein Vertrauen in sie dann komplett zerstört. 

Kannst du mir davon erzählen?
Vor ein paar Jahren habe ich als Koch in einem Restaurant mit Drive-in gearbeitet. Als ein Polizeiwagen auftauchte, rief ein ehemaliger Kollege, der uns bei der Arbeit besuchte und etwas betrunken war, "Verdammte Bullen!" durch das Fenster. Sie konnten uns nicht sehen, aber definitiv hören. Als sie dann vorfuhren, suchte ich den Augenkontakt mit ihnen und plötzlich war ich für sie der Übeltäter.

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Sie warteten vier Stunden vor dem Restaurant auf uns und drohten, mich festzunehmen, wenn ich die Tat nicht zugebe. Ich war damals noch recht jung und kannte meine Rechte nicht wirklich. Ich bin nicht stolz darauf, aber ich habe ihnen schließlich den Namen meines Kollegen gegeben. Er musste sich dann telefonisch entschuldigen, weil er den örtlichen Polizeichef beleidigt hatte. 

Fühlst du dich in Gegenwart der Polizei sicher?
Nicht wirklich. Ich habe immer das Gefühl, dass es schnell eskalieren kann. Es gibt Tage, an denen ich das sogar ziemlich lächerlich finde. Ich bin ein junger weißer Mann in einer Stadt, die kein großes Gewaltproblem hat. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es als Schwarzer in einer Großstadt sein muss. 

Warum die Würfel?
Ein Künstler, den ich mochte, malte zu der Zeit viele Würfel und mir wurde klar, dass das die perfekte Tarnung wäre. Ich glaube, der Tätowierer hatte keine Ahnung, was er mir da gestochen hat.

Björg, 26, Bartender

Ein zutätowierter Oberkörper mit den Buchstaben "FTP" über der Hüfte

Foto: Björg

VICE: Wofür steht dein Tattoo?
Björg:
Ich habe mir das Logo von der Kleidungsmarke Fuck The Population genommen, weil ich das Design cool finde. Für mich bedeutet es aber "Fuck The Police". Ich hatte ein paar unfaire Begegnungen mit der Polizei, die in mir einen starken Hass gegen autoritäre Gewalt ausgelöst haben. 

Warum hasst du die Polizei so sehr?
Ein Cop hat meine Ex mit einem Schlagstock bedroht. Wir waren bei einer Party. Die war langsam vorbei und wir hingen einfach noch ein bisschen ab. Die Bullen fanden anscheinend, wir brauchen zu lange und fingen an, uns zu drohen. Das ist dann schnell eskaliert. Es kam zu einer Schlägerei und einige von uns wurden verhaftet. 

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Glaubst du, du wirst der Polizei jemals wieder trauen können?
Ich weiß nicht. Ich verstehe schon, dass nicht alle Polizisten schlecht sind, aber ich finde, dass ihre Ausbildung nicht ausreicht. Als Polizistin oder Polizist musst du tagtäglich mit schwierigen Situationen und Personen umgehen, aber ihre Herangehensweise war komplett falsch. 

Planst du noch ein weiteres Tattoo?
Ja, einen Molotowcocktail, der auf einen Polizisten geworfen wird.

Patat (Spitzname), 36, Tätowierer

Ein Tattoo auf einer Wade mit einem Skater, der einen Cop mit seinem Skateboard schlägt, während der Cop einem anderen Skater Handschellen umlegt

Foto: Patat

VICE: Du hast mehrere polizeikritische Tattoos, wie viele genau?
Patat:
Insgesamt vier. Ich habe ACAB auf meiner Hand, auf meiner Wade einen Skater, der einen Cop mit seinem Skateboard schlägt, während der Cop einem anderen Skater Handschellen umlegt. Ich habe auch Würfel mit "1312" und ein "Fuck The System"-Tattoo mit Händen in Handschellen.

Ich glaube, vor allem zutätowierte Menschen lassen sich Anti-Cop-Tattoos stechen.

Warum hasst du die Polizei?
Ich bin in der Skaterszene großgeworden, da gerät man ständig mit der Polizei aneinander. Mit der Zeit entwickelt man automatisch eine Anti-Polizei-Einstellung. Ich könnte auch nie mit einer zusammen sein, deren Vater oder Bruder Bulle ist. Der Hass ist einfach zu stark.

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