Seit Jahrzehnten ranken sich verschiedene Mythen um das Lissabonner Stadtviertel 6 de Maio. Angeblich geht es dort so gefährlich und chaotisch zu, dass sich selbst die Polizei nicht hintraut. Dabei ist 6 de Maio nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, wo jährlich mehrere Millionen Touristen dazu beitragen, dass die Gentrifizierug unaufhaltsam voranschreitet. Inzwischen ist das Viertel aber immer mehr von dieser Entwicklung betroffen.
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Die Menschen, die in 6 de Maio leben, stammen vor allem aus Kap Verde. Sie kamen größtenteils Ende der 70er Jahre nach Lissabon, als die Atlantikinsel ihre Unabhängigkeit von Portugal erlangte. 2016 kam es in 6 de Maio zu einer Reihe von Zwangsräumungen und Razzien. Die lokalen Behörden begannen aktiv damit, die Gegend auseinanderzureißen, um Platz für ein neues urbanes Entwicklungsprogramm zu schaffen.
Als er von diesem Vorhaben hörte, machte sich der Dokumentarfotograf José Ferreira auf, um ein Jahr lang den Alltag der Bewohner und Bewohnerinnen von 6 de Maio einzufangen. Sein Ziel: Außenstehende sollen die an den Rand gedrängte Community durch die Fotos besser verstehen. Herausgekommen ist die Fotoreihe Out of Law. "Viele der Menschen hier wurden in arme Familien hineingeboren", sagt Ferreira. "Sie haben Nichts zu verlieren."Als Erstes musste der Fotograf das Vertrauen der Bewohner und Bewohnerinnen gewinnen. Keine leichte Aufgabe. "Die halten da alle fest zusammen, sind bei Unbekannten erstmal misstrauisch und schotten sich ab", sagt Ferreira. Als sie sein Vorhaben verstanden, seien sie ihm gegenüber aber sehr bescheiden und freundlich gewesen. So kam es auch, dass Ferreira fast schon zu einem festen Teil der Community wurde und mit einigen lokalen Rappern zusammenarbeitete, indem er die Coverfotos für ihre Alben schoss.
In der jetzigen Form wird 6 de Maio nicht mehr lange existieren. Wegen der Räumungen und der Abrissarbeiten erinnert das Viertel inzwischen an ein Kriegsgebiet. "Die Polizei hat sich immer nur darauf konzentriert, dass sich das Verbrechen nicht auf andere Stadtteile ausbreitet", sagt Ferreira. Um die eigentlichen Probleme in 6 de Maio habe sich niemand gekümmert. Jetzt sind die Abrissbagger aus dem Viertel nicht mehr wegzudenken. Und die Menschen von dort werden auf andere Teile Lissabons umgesiedelt – fernab von der Community, in der sie aufgewachsen sind.
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Out of Law zeigt, dass 6 de Maio mehr zu bieten hat als nur Verbrechen und heruntergekommene Gebäude. Ferreira hofft, dass er mit seinen Bildern dazu beiträgt, dass die Community des Viertels irgendwie erhalten bleiben kann. Auch dann, wenn es 6 de Maio nicht mehr gibt.Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.