Dieses antifaschistische Hexenkollektiv verhext Rechtspopulisten und Neonazis
Illustration by Robin Eisenberg

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Hexerei

Dieses antifaschistische Hexenkollektiv verhext Rechtspopulisten und Neonazis

"Wir sind Hexen. Wir wissen, wie die Welt vor diesen Scheißkerlen aussah."

Einige Tage nach der Amtseinführung von Donald Trump wurde Alt-Right-Mitbegründer Richard Spencer vor laufender Kamera ins Gesicht geschlagen. Die Medien verstrickten sich anschließend in eine leidenschaftliche ethische Debatte: Ist es OK, einen Neonazi zu schlagen?

Ich saß damals gerade vor einem Google Doc, das mir zugeschickt wurde: "Vendetta: Hexen gegen Faschisten." Es enthielt das Manifest einer mysteriösen Gruppe antifaschistischer Hexen, die sich selbst Yerbamala-Kollektiv nannten. Sie schienen sich eine ganz ähnliche Frage zu stellen: Ist es OK, einen Neonazi zu verfluchen? Der folgende Text schien diese Frage eindeutig zu bejahen.

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Auf der ersten Seite stand: "Fick Donald Trump, Faschisten, Richard Spencer und Milo." Und auf der dritten Seite verkündete das Kollektiv in riesigen Buchstaben nachdrücklich: "Du wirst nicht gewinnen. Auch wenn du uns alle umbringst, werden wir dich als Geister heimsuchen und deinen Hund töten."

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Ebenfalls im Doc enthalten war eine Art antifaschistisches Zauberbuch, das eine extreme Auslegung zur Wicca-Rede darstellte – einem Moralkodex, der im Wicca und mehreren anderen neopaganen Glaubensrichtungen eine zentrale Rolle spielt. "Solange es niemandem schadet, tu, was du willst", ist eine der bekanntesten Regeln. Wer niemandem wehtut, kann also tun und lassen, was er möchte. Die Version des Yerbamala-Kollektivs macht allerdings eine Ausnahme: Faschisten.

Ich war neugierig und kontaktierte die Gruppe. Ein Interview mit ihnen zu führen, war allerdings schwierig. Sie teilten mir mit, dass ihre Mitglieder über die gesamten Vereinigten Staaten, Großbritannien, Brasilien und Puerto Rico verteilt wären und einige von ihnen lieber anonym bleiben würden. Allerdings durfte ich ihnen meine Fragen per Mail schicken, sodass sie mir anschließend gemeinsam und anonym antworten konnten. In ihrer Antwort nannten sich die Befragten nur Hexe eins bis sieben.

Außerdem war es ihnen wichtig, dass keine ihrer Antworten endgültig sei. Schließlich umfasse das Kollektiv „sehr viel mehr Menschen, als an dem Interview teilgenommen haben. Wir definieren uns nicht darüber, was wir schreiben, sondern über unseren Kampf."

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Eigentlich dachte ich, mit einer Gruppe sprechen zu können, die sich der schwarzen Magie verschrieben hatte, um Trump im Schein des abnehmenden Mondes seines Amts zu entheben. Stattdessen handelt es sich beim Yerbamala-Kollektiv vielmehr um einen Zusammenschluss aus okkulten queeren Theoretikern und Aktivisten, die den Kapitalismus, Kolonialismus, Rassismus und das Patriachat hinterfragen und zerschlagen wollen. Eine Aufgabe, die vermutlich eine ganz eigene Form der Magie darstellt.


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"Wir wollen ein virales Kunstprojekt gegen den Faschismus gründen. Faschisten nutzen den kollektiven Weltenplan, um ihre Vorstellungen von der Zukunft durchzusetzen. Das erlaubt ihnen, Anhänger zu gewinnen, andere zu terrorisieren und zu töten", schreibt eines der Mitglieder des Kollektivs. "Wir sind Hexen. Wir wissen, wie die Welt vor diesen Scheißkerlen aussah."

Obwohl sich die Mehrheit der Mitglieder als Hexen bezeichnet, nutzen sie den Begriff "Hexe" vor allem als "inklusive, identitätsstiftende Kategorie." Schließlich seien Hexen nicht nur "seit jeher diskriminiert, entmenschlicht und verfolgt" worden, sondern auch "von Natur aus antikapitalistisch", erklärt mir das Kollektiv. "Faschisten wollen bestimmte Gruppen aus der Gesellschaft ausschließen und ihnen ihre Menschenrechte verweigern, um sie zu eliminieren. Hexen existieren allerdings nicht und können somit auch nicht eliminiert werden. Das verleiht uns einen einzigartigen Vorteil gegenüber den Faschisten."

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Wenn mit dem Begriff "Hexe" Menschen am Rande der Gesellschaft beschrieben werden sollen – Menschen, die von der Gesellschaft traditionell ausgeschlossen und übergangen wurden –, dann verleihen sie ihrer Bewegung damit einen revolutionären Charakter, der all jenen Menschen, eine Stimme gibt, die von den Menschen an der Macht sonst mundtot gemacht werden. "Hexen bilden schon seit jeher Netzwerke, die trotz zahlreicher Repressionen, immer überlebt haben", sagt eines der Mitglieder des Kollektivs. "Die Geschichte des Faschismus ist nicht nur die Geschichte der faschistischen Unterdrückung, sondern auch die Geschichte des Widerstands. Hexerei ist eine Kunst, die im Widerstand begründet liegt."

Einen Monat, nachdem das Yerbamala-Kollektiv sein Manifest veröffentlicht hat, habe ich ein Ritual besucht, das Trump und seine Unterstützer davon abhalten sollte, Schaden anzurichten. Das Gruppenritual fand im Hinterzimmer des Catland statt, einem okkulten Laden im New Yorker Stadtviertel Bushwick. Einige Hexen, die sich streng an die Wicca-Rede halten, fanden den Bann geschmacklos, weil er in ihren Augen ebenfalls Schaden anrichten sollte. Als ich den Leiter des Rituals, F. Jennings, darauf ansprach, sagte er mir sehr bestimmt: "[Die magische Gemeinschaft] besteht aus zahlreichen Migranten, Menschen verschiedener Hautfarben sowie Mitgliedern indigener Gruppen und der LGBTQ*-Community." Ihr Leben werde direkt durch Trump, seine Regierung und seine Unterstützer bedroht. "Ich bin immer für Liebe und Licht, aber der Spaß ist vorbei, wenn Mitglieder unserer Gruppe zum Ziel von Hass und Dunkelheit werden."

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Zwar würden die meisten Praktizierenden lieber ein erleuchtendes oder heilendes Gruppenritual durchführen, besondere Zeiten erforderten allerdings besondere Mittel "Wir können nicht länger tatenlos rumzustehen und um Erleuchtung bitten."

Auch das Yerbamala-Kollektiv hat wenig Hoffnung, dass Trump und seine Unterstützer mit Magie oder normalen Mitteln zur Vernunft gebracht werden können. Sie sehen hinter den Ideologien, die Trump an die Macht gebracht haben, eine eigene Form der schwarzen Magie – oder zumindest ein eindeutiges Zeichen für den spirituellen Niedergang unserer Gesellschaft. "Trumps Regierung handelt nach einer kolonialistischen und kapitalistischen Vorstellung von 'Freiheit'", schreibt eine der Hexen. "Das war schwarze Magie, die durch weiße Rassisten und die brodelnde Ignoranz unserer Gesellschaft genährt wurde. Es ist ein uralter Fluch, auf den wir die Menschen hinweisen wollen. Unser Zauber soll diesen Kreislauf durchkreuzen, um den Bann zu brechen."


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Genau wie ihre Definition einer "Hexe" widersetzt sich auch ihre Definition von "Zauber" jeder eindeutigen Auslegung – und zwar mit Absicht: Auf meine Frage, welche Art von Magie sie praktizieren, antwortet eine der Hexen, dass "unsere Kunst darin besteht, in dieser Welt zu atmen, zu leben, zu schreiben und zu lieben – trotz der andauernden Mordanschläge durch den Kapitalismus." Eine andere Hexe scheint die Frage etwas wörtlicher zu nehmen: "Ich persönlich nehme die negative und zerstörerische Energie der Toten und versuche sie dazu zu nutzen, Gutes zu tun oder eben das Böse zu zerstören."

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Grundlegend glaubt das Yerbamala-Kollektiv, dass sich Magie um die Stärke des Einzelnen dreht und jedem zur Verfügung steht – auch den Menschen, die von der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Damit steht ihre Vorstellung von Magie in direktem Widerspruch zu Faschismus. Jennings sieht das ähnlich. "Viele magische Traditionen, vor allem die Chaosmagie, betonen immer wieder, welche Bedeutung unsere spirituelle Entwicklung durch Befreiung, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung hat", erklärte er mir. "Kurzum: Die Magie befindet sich schon immer im spirituellen Krieg gegen die Tyrannei."

Einen Krieg gegen die metastasierende Autokratie zu führen, ist ein langwieriges Unterfangen – ein generationsübergreifendes Vorhaben ohne bestimmtes Ende. Doch das Yerbamala-Kollektiv ist sich dessen durchaus bewusst. "Ich würde nicht sagen, dass unser Kollektiv auf ein bestimmtes Ziel hinarbeitet. Stattdessen nutzen wir Alchemie, um aus Scheiße (Faschismus) Gold (eine queere Zukunft) zu machen. Wir sind Teil einer partizipatorischen, kollaborativen Zunft, deren Zaubersprüche am wirkungsvollsten sind, wenn sie zeitgleich gegen die faschistischen Energien eingesetzt werden. Wir wollen einen offenen Kanal schaffen, um marginalisierte Gruppen zu heilen."

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Im Geiste einer utopischen, queeren Zukunft fragte ich das Kollektiv, welchen Zauber sie – im traditionellen Sinne – gegen Trump aussprechen würden. Die meisten Hexen, die mir geantwortet haben, sagten, dass sie ihn mit ihrem Zauber dazu bringen wollen, die Tragweite seiner Handlungen zu verstehen und den Schmerz und das Leid zu spüren, die er anderen verursacht.

Meine liebste Antwort war allerdings die hier: "Ich würde Trumps Regierung in einen gigantischen Auflauf verwandeln und ihn an arme Menschen in den Küstenregionen verfüttern. Sie werden nämlich die Ersten sein, die verhungern, wenn sie der Staatsapparat mal wieder im Stich lässt. Was übrig bleibt, bekommen dann die Eisbären."

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