Ich habe noch nie Vorsätze fürs neue Jahr gemacht, aber je älter ich werde, desto mehr habe ich das Gefühl, dass mir die Zeit davon läuft. Mit 18 dachte ich, dass ich bis zu meinem 30. Geburtstag locker fünf Sprachen sprechen würde – mindestens. Tatsächlich bekomme ich gerade mal eine hin (und eine halbe, wenn man meine schrecklichen Mandarin-Kenntnisse dazuzählt). Als ich 21 war, dachte ich, dass ich mit 27 total fit und sportlich sein würde. Mein 27. Geburtstag ist lange vorbei und ich gehe genauso selten ins Fitnessstudio wie mit Anfang 20.
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Um die verlorene Zeit aufzuholen, habe ich beschlossen, eine Woche lang neun der beliebtesten Neujahrsvorsätze auf einmal umzusetzen. Ihr wisst ja: Neues Jahr, neues Ich – oder so.Laut einer Forsa-Umfrage, haben sich 57 Prozent der Deutschen für 2019 vorgenommen, mehr Sport zu treiben. Glücklicherweise gibt es in der Nähe meines Büros ein Fitnessstudio, bei dem man eine Wochen-Flatrate buchen kann. Für 25 Euro kann ich hier so viel trainieren, wie mein Herz begehrt. Oder bis es explodiert, je nachdem.Am ersten Tag meines Versuchs verschlafe ich und gehe nicht ins Fitnessstudio. Am zweiten Tag schleppe ich mich zu einem Kurs, der mir ein "hochintensives Ganzkörper-Workout, das alle wichtigen Muskelgruppen anspricht und dich ans Limit pusht" verspricht. Ich schwitze so stark, dass mir selbst nach dem Duschen noch Schweiß übers Gesicht läuft und bin den ganzen Tag völlig fertig.Am Ende der Woche habe ich viermal trainiert, drei Tage davon in Folge. Ich fühle mich minimal fitter als vorher, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dafür zukünftig jeden Tag um 7 Uhr aufzustehen.
Mehr Sport treiben
Der Fitness-Trainer Roger Love rät mir, klein anzufangen: "Glaube nicht, dass du aus dem Stand ein perfektes, kompliziertes Workout hinlegen musst. Mach etwas Einfaches: einen schnellen Spaziergang, ein paar Hampelmänner, Kniebeugen oder Liegestütz. Das heißt nicht, dass du monatelang bei diesem Workout bleiben wirst, aber es ist ein Anfang."
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Außerdem sagt er, dass man sich nicht entmutigen lassen soll: "Wenn du mal einen schlechten Tag hast, heißt das nicht, dass deine ganze Woche schlecht werden muss. Du bist kein Roboter; du wirst immer mal einen schlechten Tag haben und Fehler machen. Schüttle das schlechte Gefühl ab und starte neu. Mach dir bewusst, warum du mit dem Training angefangen hast."
Abnehmen
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Es stellt sich raus, dass ich völlig falsch liege. Am Ende der Woche, habe ich weder an Taille noch Hüfte abgenommen. Möglicherweise habe ich sogar zugenommen, weil ich zwischendurch meine Tage bekommen habe und völlig aufgebläht bin. Damit komme ich meinem Idealbild des menschlichen Dumplings jedoch erfreulich nahe.Fitness-Trainer Love sagt mir, dass man Sport nicht unbedingt als Mittel verstehen sollte, um abzunehmen: "Beim Sport geht es nicht darum, Gewicht zu verlieren. Vielmehr baust du dir einen Lebensstil auf, der dich für eine sehr lange Zeit gesund und aktiv hält." Da mein Gewicht sowieso ständig schwankt, stimme ich ihm gerne zu.
Gesünder essen
Auch bei Broadly: In diesem Fat Camp geht es nicht ums Abnehmen, sondern um Selbstliebe
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Viel sinnvoller sei es, sich ein oder zwei kleine Ziele zu setzen, die man dann auch erreichen kann. "Statt sich vorzunehmen, zehn Kilo mit einer radikalen Diät abzunehmen, sollte man sich lieber auf gesunde Ernährung konzentrieren. Nimm dir beispielsweise vor, einen ungesunden Snack am Tag gegen ein Stück Obst auszutauschen und mache jede Woche eine halbe Stunde mehr Sport."Das ist ein toller Tipp – den ich während meines Versuchs jedoch nicht befolge. Tatsächlich scheint die Vorgabe, mich gesund zu ernähren, in mir genau das Gegenteil auszulösen und ich stopfe noch mehr Scheiß in mich rein, als vorher. Da hilft es auch nicht, dass ich durch mein erhöhtes Sportpensum ständig hungrig bin. Während eines Nachmittagstiefs esse ich eine ganze Tüte Chips und anschließend noch eine Banane, um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Das einzig Positive ist, dass ich weniger Cola trinke. Ich bin keine Ernährungswissenschaftlerin, aber ich gebe der makrobiotischen Bowl zu Beginn der Woche die Schuld an meinem Versagen.
Mehr für die Gesundheit tun
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"Wie oft tauschen Sie ihre Zahnbürste aus?", fragt mich mein Zahnarzt. "Hm … alle vier bis sechs Monate?", rate ich. Stille. "Sie sollten sie alle zwei bis drei Monate wechseln", rät er mir und in seiner Stimme klingt etwas Traurigkeit mit. Ich stelle mir das Leben von Zahnärztinnen und Zahnärzten sehr hart vor. Sie haben nicht den glamourösen Job eines Herzchirurgen; niemand wird sie je McDreamy nennen und Shonda Rhimes wird keine Fernsehserie über sie schreiben. Und dabei sind sie gar nicht mal so furchtbar, wie ich als Kind immer dachte.Mein Zahnarzt eröffnet mir, dass mein Zahnfleisch entzündet ist (na toll!), knipst bereitwillig ein Foto von mir im Behandlungsstuhl und gibt mir einen Termin für eine professionelle Zahnreinigung Ende Januar. Ich muss zugeben, dass ich mich mit diesem Vorsatz anfreunden kann. Der Zahnarztbesuch war nicht so schlimm und ich habe langfristig etwas für meine Gesundheit getan.
Etwas Neues lernen
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Mein Trainer Yamthe führt mich in den Trainingsbereich und lässt mich auf die Zielscheiben aus Holz werfen. Meine ersten Versuche laufen schrecklich, die Äxte prallen einfach vom Ziel ab. Doch dann habe ich den Dreh raus: Meine Axt schwirrt durch die Luft und landet mit einem befriedigendem Krachen in der Nähe des Bullseye. Ich bin ein Naturtalent!Okay, die nächsten Äxte gehen wieder daneben. "Viele neue Kunden kommen im Januar zu uns, als Neujahrsvorsatz", sagt Bidgood. Wahrscheinlich brauche ich mehr als eine Übungsstunde, um noch einmal zu treffen. Vielleicht hätte ich doch lieber Spanisch lernen sollen.
Mehr Zeit in das eigene Wohlbefinden investieren
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Doch Ende der Woche passiert doch noch etwas, dass es mich etwas stolz macht. Ein Typ vor einer Bar bezeichnet mich als "chinesische Schlampe" und ich zeige ihm einfach nur den Mittelfinger und gehe weiter.Das ist so viel besser als meine Reaktionen in der Vergangenheit (in Tränen ausbrechen), dass es mich stolz macht. Leider bin ich gleichzeitig so wütend über den Vorfall, dass ich auf Twitter darüber schreibe. In mein Tagebuch schreibe ich: "Ich bin stolz darauf, dass ich einem Rassisten den Mittelfinger gezeigt habe."
Mehr Zeit mit Familie und Freunden verbringen
Weniger Alkohol trinken
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Am Ende der Woche sitze ich in einer Schwulenbar und unterhalte mich mit einem trockenen Alkoholiker. "Am besten erzählst du niemanden, dass du nichts trinkst", rät er mir. Seiner Erfahrung nach nehmen die Leute sowieso an, dass du so viel trinkst wie sie, wenn du sie in dem Glauben lässt, vermeidest du komische Situationen, meint er.
Das Rauchen aufgeben
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Dr. Touroni rät mir außerdem, zu überlegen, aus welchen Gründen ich gerne rauchen würde. "Hast du Sorge, sonst aus der Gruppe ausgeschlossen zu sein? Befürchtest du, weniger Spaß zu haben? Mach dir all die Gründe bewusst, aus denen du mit dem Rauchen aufhören willst, damit du sie dir der nächsten Situation schnell ins Gedächtnis rufen kannst."Leider habe ich mit dieser Strategie keinen Erfolg. Es dauert nur zwei Stunden, bis ich jemanden vor der Bar nach einer Zigarette frage. Aber ich habe zuvor länger nicht geraucht und empfinde den Nikotinschub als unangenehm – wahrscheinlich, weil ich dank meiner Neujahrsvorsätze auch nichts getrunken habe. Also frage ich mich, ob es das überhaupt wert war.Am Ende meines Versuchs nehme ich mir vor, nie wieder Neujahrsvorsätze zu machen. Und ganz sicher werde ich nie wieder versuchen, alles auf einmal umzusetzen. Mein Ratschlag: Falls du dir für das neue Jahr Ziele gesetzt hast, sei gnädig zu dir selbst. Denn du wirst es unweigerlich irgendetwas verkacken. Setze dir selbst keine unrealistischen Ziele, wie jeden Tag ins Fitnessstudio zu gehen oder alle deine Mahlzeiten durch vegane Rohkost-Bowls auszutauschen. Sei einfach stolz auf dich, dass du es bis ins Jahr 2019 geschafft hast, 2018 war schließlich hart genug.Nur eine Sache noch: Geh endlich zum Zahnarzt!Folgt Broadly bei Facebook, Twitter und Instagram.