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In Hongkong müssen viele Haushälterinnen in Küchenschränken leben

"Dieser 'Schrank' ist mein Schlafzimmer. Ich gehöre zur Küche."
Foto: Unsplash | Pexels | CC0

Die Nachfrage nach billigen, ausländischen Haushaltskräften in Hongkong ist groß. In den vergangenen Jahren kamen hunderttausende Frauen in die chinesische Metropole in der Hoffnung, ihre Familien durch ihre Arbeit im Ausland unterstützen zu können und ihren eigenen Lebensstandard zu erhöhen. Nur: Der Wunsch von einem besseren Leben erfüllt sich in vielen Fällen nicht.

Viele von ihnen verschulden sich schon vor ihrer Ankunft in Hongkong, weil sie verpflichtet sind, vorab eine Ausbildung zu machen, die sie auf die Arbeit in chinesischen Haushalten vorbereiten soll. Hinzu kommen sprachliche Barrieren und mangelnde staatliche Kontrollen, die die Frauen in eine bedrückende Abhängigkeit von ihren ausländischen Arbeitgebern stürzen und vollkommen schutzlos gegenüber verbaler und körperlicher Gewalt machen.

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Es gab bereits viele Frauen, die von Ausbeutung, Beleidigungen und körperlicher Gewalt berichteten. Wie schlimm die Lebensbedingungen der Haushälterinnen allerdings wirklich sind, wenn bei ihrem Arbeitgeber leben, zeigt nun ein aktueller Bericht der Mission für Migrant Workers (MFMW).

Eine Befragung von über 3.000 Haushälterinnen mit Migrationshintergrund, darunter 98 Prozent Frauen, konnte zeigen, dass viele von ihnen im Freien, auf dem Boden, im Badezimmer oder in winzigen Rumpelkammern über den Küchenschränken schlafen müssen.

Mehr als die Hälfte der Frauen gab an, dass sie ein eigenes Zimmer haben – allerdings sagte mehr als ein Drittel von ihnen, dass das Zimmer nicht ausschließlich von ihnen genutzt wird. In vielen Fällen diente ihr Zimmer zusätzlich auch als Wäsche- oder Abstellkammer. Außerdem erklärten 70 Prozent der Befragten, dass sie sich ihr Zimmer mit den Kindern ihres Arbeitgebers teilen müssen. Laut des Berichts haben 61 Prozent der Haushälterinnen keinen eigenen Schlafplatz. Nur jede Dritte hat ein Bett.


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Viele gaben an, dass sie die Tür zu ihrem Zimmer nicht schließen dürften oder ihr Chef das Zimmer jederzeit betreten könne. "Ich fühle mich unwohl, weil mein Arbeitgeber jederzeit in mein Zimmer kommen kann", sagte eine Frau gegenüber MFMW. Die Arbeiterinnen, denen zumindest ein Mindestmaß an Privatsphäre genehmigt wurde, hatten in der Regel auch geregeltere Arbeitszeiten.

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Es gibt aber auch Frauen, denen noch nicht einmal ein echtes Zimmer zur Verfügung steht. Ein Foto aus dem Bericht zeigt eine sargähnliche Kammer über dem Kühlschrank und der Mikrowelle. "Dieser 'Schrank' ist mein Schlafzimmer", erklärt eine Haushälterin. "Ich gehöre zur Küche." Eine andere Frau erzählte, dass sie draußen in einer Hütte schlafen würde. "Das ist keine Hundehütte", wird sie in dem Bericht zitiert, "das ist mein 'Zimmer.'"

"Dieses Sofa ist mein Bett und das Wohnzimmer meine 'Unterkunft'." Foto: MFMW-Bericht

Einige Frauen berichteten auch, dass sie im Wohnzimmer schlafen müssten. "Ich habe das Gefühl, keine Privatsphäre mehr zu haben. Alle im Haus können ständig sehen, was ich mache", klagte eine andere Frau. "Wenn ich beispielsweise persönliche Gegenstände in der Hand habe, wie Bücher oder Kleidungsstücke, dann fragt mich mein Arbeitgeber immer: 'Was ist das?' oder 'Was machst du da?' Das mag ich nicht."

Verständlicherweise schlafen die Frauen unter solchen Umständen sehr schlecht und fühlen sich ihren Arbeitgebern schutzlos ausgeliefert. Die meisten von ihnen sind 24 Stunden auf Abruf. Die Kerngruppe der Studie gab an, dass sie sich klar geregelte Arbeitszeiten und feste Ruhezeiten wünschen. Doch die meisten von ihnen fühlten sich machtlos und hatten Angst davor, ihre Situation zu ändern. "Wir haben [diesen Lebensumständen] zugestimmt, weil wir Geld verdienen müssen", sagte eine der Befragten. "Wenn wir uns beschweren werden wir zurück zur Agentur und zurück nach Hause geschickt, oder?"

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Norman Uy Carney, der führende Autor der Befragung, sagte gegenüber Reuters, dass es entsetzlich sei, dass Haushälterinnen so behandelt werden dürften. "Das ist moderne Sklaverei. Die meisten Unterkünfte erfüllen noch nicht einmal die grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse. Hongkong ist eine Weltstadt. Dass Haushälterinnen hier so behandelt werden, ist eine Schande."

In einem Interview mit der South China Morning Post sagte Carnay: "Überall in Hongkong schlafen noch immer 500 Haushälterinnen im Toilettenraum."

Der Bericht vermutet, dass die entsetzliche Situation für ausländische Haushälterinnen auch dadurch zustande kommt, dass ihnen die Stadt vorschreibt, dass sie bei ihrem Arbeitgeber leben müssen. Dieses Gesetz wird von der Einwanderungsbehörde seit Längerem durchgesetzt. Es gibt aber noch immer keine Vorschriften, wie eine "angemessene Unterbringung" auszusehen hat. Unter "unangemessenen Unterbringungen" werden lediglich zwei Beispiele genannt: "Klappbetten im Flur mit wenig Privatsphäre" und "ein Zimmer, das sich die Haushälterinnen und Haushälter mit einem Erwachsenen/Teenager des anderen Geschlechts teilen müssen." Auf die Frage, ob Küchenschränke oder Badezimmer "angemessene Unterbringungen" seien, antwortete das Arbeitsministerium von Hongkong laut Reuters, dass das "nicht möglich" sei.

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Internationale Standards fordern, dass Haushälterinnen einen "eigenen, separaten Raum haben müssen, der angemessen möbliert, ausreichende belüftet und mit einem Schloss ausgestattet sein muss. Der Schlüssel sollte dem/der Haushälter/in zur Verfügung gestellt werden."

Es bleibt zu hoffen, dass der schockierende Bericht der MFMW ein erster von vielen Schritten ist, um die Öffentlichkeit für die menschenunwürdige Lebenssituation der Arbeiterinnen zu sensibilisieren – und ihre Situation dadurch langfristig zu verbessern.

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Titelfoto: Unsplash | Pexels | CC0