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Beziehung

Warum der Hass auf andere Frauen eigentlich nur uns selbst schadet

Zeigt der Partner Interesse an einer anderen, sind wir oftmals nicht auf ihn wütend, sondern erheben die “Konkurrentin“ zur ultimativen Nemesis. Eine Expertin erklärt, warum das so ist – und weswegen wir damit aufhören müssen.
Foto: unsplash.com | Pexels | CC0

Stellt euch folgende Situation vor: Ihr sitzt vor Facebook, scrollt ein wenig durch den Newsfeed, vorbei an Panda-Videos und Nachrichtenmeldungen. Plötzlich ist da eine Mitteilung, dass euer Freund schon wieder ein Bild dieser einen Arbeitskollegin geliket hat, mit der er sich ohnehin schon verdächtig gut versteht – noch dazu ein älteres, was bedeutet, dass er sich ihre ganze Galerie angesehen haben muss. Auf wen seid ihr in diesem Moment wütender? Euren Partner oder die andere Frau?

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Wenn ihr beginnt, euch manisch durch sämtliche Social-Media-Profile eurer "Konkurrentin" zu klicken und euch dabei einzureden, dass sie sowieso viel zu viele Smileys verwendet und auf ihren ganzen Strand-Selfies nicht mal ansatzweise so gut aussieht, wie sie sicherlich glaubt, dann seid ihr damit nicht alleine. In heterosexuellen Beziehungen scheint es ganz allgemein die unterschwellige Angst davor zu geben, dass einem der Partner von einer außenstehenden Person "weggenommen" wird – als wäre er ein Gegenstand, der sich nicht selbst bewusst dazu entscheiden könnte, mit wem er zusammensein möchte. Und wenn man sich all die Klischees um "Catfights" und "Zickenkriege" ansieht, dann könnte man meinen: Wenn sich zwei Frauen streiten, dann geht es schlussendlich so gut wie immer um einen Mann.

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Als mein Ex-Freund via Facebook-Nachricht mit anderen Frauen geflirtet und es mir schließlich ganz offen und auf Nachfrage erzählt hat, dachte ich nicht: "Du Idiot solltest es besser wissen. Immerhin bist du es, der in einer Beziehung ist." Nein, ich dachte: "Warum macht sich diese Tussi an einen vergebenen Mann ran? Was bildet sie sich eigentlich ein?"

Das wirft die Frage nach dem Warum auf. Warum sind Frauen Frauen gegenüber oft so gehässig? Und warum hasst man eher eine Person, die man möglicherweise nicht einmal kennt, als die Verhaltensweisen des eigenen Partners zu hinterfragen? Wie so oft, ist die Antwort nicht einfach, hat zumindest in Ansätzen aber auch damit zu tun, wie wir von Medien beeinflusst werden.

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Nicht selten basieren ganze Hollywood-Filme und Serien auf der Annahme, dass sich Frauen gerne gegenseitig fertig machen, stutenbissig und zickig sind – vor allem dann, wenn es darum geht, den eigenen Mann zu halten. Man denke an Serien wie Gossip Girl, die quasi von Intrigen und Hass unter Frauen leben. Wirft eine andere Frau dem aktuellen Freund der Protagonistinnen auch nur einen Blick zu, werden alle Hebel in Gang gesetzt, um sie zumindest gesellschaftlich zu vernichten.

Viele Frauen bekommen schnell Selbstzweifel und fragen sich, was die andere Frau hat, was sie selbst nicht haben.

Ein anderes, dramatischeres Beispiel hierfür ist der 2016 erschienene Film Girl on the Train. Der Film handelt kurz zusammengefasst von einer verzweifelten Frau, deren Leben außer Kontrolle gerät, nachdem sie von ihrem Ex für eine andere Frau verlassen wurde. Ihre Zeit verbringt sie damit, sich selbst zu ruinieren, zu viel zu trinken, die neue Frau zu hassen und den Mann immer noch krankhaft zu lieben, was sich später als schwerer Fehler herausstellen sollte. Durch Geschichten wie diese und die Tatsache, dass sie unserer Vorstellung von Mainstream und Normalität entsprechen, wird der Fokus in unseren Köpfen in vielen Situationen, in denen Eifersucht eine Rolle spielt, auf "die Andere" gelenkt und in unseren Köpfen etabliert sich das Feindbild der Frau, die uns dazwischen funkt. So vergessen wir schnell, zu hinterfragen, ob unser Partner vielleicht der Schuldige ist – oder nicht zumindest auch zur Verantwortung gezogen werden sollte.

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Wenn wir also von allen Seiten das Bild vermittelt bekommen, dass Liebe wie eine Art Kampf um jemanden ist, bei der es vor allem darum geht, die Kontrahenten aus dem Weg zu räumen, konzentrieren wir unsere Kräfte eben bewusst eher darauf, als uns anzuschauen, ob es vielleicht in der Beziehung selbst Probleme gibt.

Foto: Trinity Kubassek | Pexels | CC0

Eine mögliche andere Erklärung wäre das psychologische Phänomen der Idealisierung, im Rahmen dessen man andere oder sich selbst zu einem unrealistischen Ideal erhebt. Verliebtheit gilt als besondere Form der Idealisierung, da man bei neuen Partnern zu Beginn oftmals nur die positiven Eigenschaften sieht und auch sehen will. Man engt somit das eigene Bewusstsein ein, was zu einer falschen Einschätzung des Gegenübers führen kann – und somit zu dem Glauben, dass der Fehler unmöglich bei dem Mann liegen kann, den man liebt. Die andere Frau ist die Böse.

Patricia Göttersdorfer, Klinische Psychologin und Psychotherapeutin aus Wien, bestätigt diese Annahme auf Nachfrage von Broadly: "Klar stellt man den Freund und Partner auf ein Podest. Man denkt, dass der eigene Mann so etwas nicht macht und besser ist als alle anderen. Ich glaube aber nicht, dass man immer zwingend nur die anderen Frauen hasst—bei vielen gibt es sicher auch zu Hause eine Szene." Die Eifersucht auf andere Frauen habe jedoch auch mit anderen Faktoren zu tun, so Göttersdorfer.

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Sie bringt einen anderen elementaren Punkt an: die eigene Unsicherheit, die durch das Auftauchen einer vermeintlichen Kontrahentin noch geschürt wird. Ist man mit einer anderen Frau konfrontiert, würden sich manche schnell die Frage stellen, ob sie selbst eigentlich wirklich so toll seien, wie der Partner denkt und ob sie seine Erwartungen tatsächlich erfüllen können, erklärt Göttersdorfer. "Da bekommen viele Frauen schnell Selbstzweifel und fragen sich, was die andere Frau hat, was sie selbst nicht haben."

Laut Göttersdorfer basiert unser Verhalten in solchen Situationen jedoch vor allem auf biologischen Faktoren. "Biologisch gesehen suchen die Weibchen die Männchen aus, auc wenn das in unserer heutigen Gesellschaft vielleicht anders gesehen und vor allem gelebt wird. Also gibt es so gesehen einen guten Grund, einer anderen Frau böse zu sein, weil man sich eben diesen Mann ausgesucht hat und nicht will, dass einem jemand dazwischen funkt."

Alles wäre einfacher mit Frauensolidarität.

Man will das eigene – in diesem Fall menschliche – Revier verteidigen und macht den Konflikt im Rahmen dessen zu einer Situation, in der die andere Person als Eindringling gesehen wird. Einen Eindringling, den es mit allen Mitteln zu vertreiben gilt, damit die Beziehung wieder harmonisch und glücklich sein kann. Die Tatsache, dass zum Scheitern einer Partnerschaft immer zwei gehören, verdrängen wir dabei gern. Ganz im Allgemeinen hat dieses Verhalten viel mit Selbstmanipulation zu tun, bestätigt auch Patricia Göttersdorfer. "Sobald Konkurrenz auftaucht, machen wir sie schlecht, damit wir selbst besser da stehen. Aber hier muss man sich auch fragen, ob es gut für die Beziehung und vor allem das eigene Selbstwertgefühl ist, wenn man sich ständig fragt, ob man gut genug ist."

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Die Lösung für dieses Problem, die schnelle Eifersucht und den unhinterfragten Hass auf andere Frauen, liegt für Göttersdorfer auf der Hand: „Alles wäre einfacher mit Frauensolidarität. Wenn wir von diesem Ideal nicht nur reden, sondern es auch leben und uns nicht mehr gegenseitig bekriegen würden, wäre das Leben für alle besser."

Wir müssen aufhören, andere Frauen automatisch als unsere Feindinnen zu sehen – sei es in Beziehungen, im Beruf oder anderen Lebenssituationen. Tun wir das nicht und investieren unsere Zeit und Energie darin, die berühmt berüchtigte "Andere" zu hassen, schaden wir damit nicht wie meist gewollt ihr, sondern am meisten uns selbst. Wir schaden unserem Selbstwert, sabotieren unsere Beziehungen und übertragen die frauenfeindlichen Klischees, mit denen wir so oft konfrontiert werden, in unser eigenes Leben. Dabei bekämpft das Hassen einer anderen Frau im Höchstfall Symptome, aber keine Ursachen. Es mag hart klingen, aber: Wenn euch euer Partner betrügen oder verlassen möchte, dann wird er das tun. Wenn nicht mit der einen, deren Instagram-Bild er kürzlich geliket hat und die ihr danach aus eurem gemeinsamen Freundeskreis gedrängt habt, dann mit einer anderen.


Titelfoto: unsplash.com | Pexels | CC0