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Politik

Wie Kellyanne Conway in ihrem beinahe feministischen Buch Trump kritisierte

Heute hetzt die Tump-Beraterin gegen Minderheiten. In "What Women Really Want" aus dem Jahr 2004 erklärte sie allerdings noch, wie Männer wie Donald Trump Frauen schaden.
Illustration by Gabby Bess

Jeder redet über Kellyanne Conway. Seit ihrer Arbeit als Donald Trumps Wahlkampfleiterin (und nun als Beraterin des Präsidenten) hat sie sich zu einer von Amerikas polarisierendsten politischen Figuren entwickelt. Conway ist die erste Frau, die eine erfolgreiche Präsidentschaftswahlkampf geleitet hat – der Grund, warum ihr Name aktuell global diskutiert wird, ist allerdings ein anderer. Nach mehreren fragwürdigen Auftritten, bei denen sie verzweifelt versuchte, die Aussagen ihres Chefs zu verteidigen, ließ sie sich schließlich in einem Interview zu der Aussage hinreißen, Pressesprecher Sean Spicer hätte bei seiner ersten Verlautbarung gegenüber der Presse nicht gelogen. Es handle sich lediglich um "alternative Fakten".

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Conway hätte das Potenzial zur komischstes Mitarbeiterin des Weißen Hauses, wenn – ja wenn – sie nicht irgendwie gut in dem wäre, was sie macht. Immerhin hat Conway es geschafft, Trump vom Pussy-Grabber zum Präsidenten zu befördern. Mit ihrem Erfolg hat sie ganz Amerika, wenn nicht sogar die ganze Welt schockiert; insbesondere, wenn man bedenkt, dass 53 Prozent der weißen Frauen für Trump gestimmt haben.

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Conway hat als Meinungsforscherin mehrere Jahrzehnte damit verbracht, amerikanische Frauen zu studieren. Nachdem sie 1995 die Polling Company gegründet hatte, führte sie jahrelang Meinungsumfragen unter Frauen durch – bezogen auf ihr Konsum- wie auch ihr Wahlverhalten. Die Ergebnisse ihrer Studien verkündete sie anschließend bei Auftritten im öffentlichen Fernsehen. Allerdings wurde ihre Arbeit von männlichen Kollegen oftmals kritisiert, weil sie sich angeblich zu sehr auf Frauen konzentrierte. Später wurde sie gemeinsam mit Ann Coulter und Laura Ingraham Mitglied eines Trios, das als die "Pundettes" bekannt wurde. Conway war allerdings die einzige von ihnen, die sich auch hauptberuflich mit politischen Wahlkämpfen beschäftigte.

Im Jahr 2004 tat sich Conway mit einer anderen marginalisierten Meinungsforscherin zusammen, die sich hauptsächlich auf Frauen konzentrierte: der Liberalen Celinda Lake. Gemeinsam schrieben sie ein Buch mit dem Titel What Women Really Want: How American Women Are Quietly Erasing Political, Racial, Class, and Religious Lines to Change the Way We Live. Darin werteten die beiden die Ergebnisse nationaler Meinungsumfragen aus, um die Wünsche von Frauen darzustellen und zu betrachten, wie sich diese wiederum auf ihre politischen Ansichten auswirkten. (Darüber hinaus treffen sie einige mehr oder weniger akkurate Vorhersagen über die Jahre 2004 bis 2014, wie "Das Telefonat wird durch den Videochat abgelöst werden" und "Frauen lieben ihre Handys. Allerdings könnte das mit ihrem noch stärkeren Wunsch nach mehr Ruhe, Zeit und Raum kollidieren.") Das Ergebnis ist ein ziemlich verwirrendes Buch, das ein sehr widersprüchliches Bild von mächtigen und zugleich auch mütterlichen Frauen zeichnet. Eine der wirklich interessanten Passagen ist allerdings die, die nahelegt, dass Frauen bessere Geschäftsmänner sind als Trump.

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Im Gegensatz zu Conways jetzigen endlosen Ergüssen über "die wahren Amerikaner", widerspricht ihr Buch der Auffassung, dass es eine durch und durch amerikanische Frau gibt. Stattdessen beschreiben sie lediglich die Schnittstellen zwischen Geschlecht, Ethnie, Klasse, Bildung und geografischer Herkunft und teilen Frauen danach in acht Gruppen ein: feministische Sieger, Hausfrauen aus den Vorstädten, multikulturelle Querdenker, religiöse Kreuzritter, kellnernde Mütter, verwitwete ältere Frauen, entfremdete Singles und Alpha-Streber. Durch das gesamte Buch hinweg gibt sie anhand von Ergebnissen aus Meinungsumfragen Erklärungen zu diesen Gruppen ab. ("Kellnernde Mütter haben das Gefühl, sie hätten die geringste Kontrolle über ihre Gesundheit.")

Kellyanne Conway bei einer Ansprache vor der Conservative Political Action Conference (CPAC) im Jahr 2015 in National Harbor, Maryland. Foto: Gage Skidmore | Flickr | CC BY-SA 2.0

Dass das Ganze einen massiven – wenn nicht sogar riesigen – Haken hat, hast du dir wahrscheinlich schon gedacht, bevor du auf diesen Artikel geklickt hast. Meinungsumfrageexperten haben die Polling Company schon oft für ihr fehlerhaftes Vorgehen kritisiert und – wie Broadly vergangenen Monat berichtet hat – bezeichnete das amerikanische Center for Security Policy die letztjährige Meinungsumfrage der Polling Company über die Meinung muslimischer Amerikaner hinsichtlich der Scharia als irreführend. Außerdem präsentierte die Polling Company im Rahmen einer Meinungsumfrage Videos des Abtreibungsgegners David Daleidon, als wären sie objektive Fakten, verschwiegen den Teilnehmern allerdings, dass die Aufnahmen, die Planned Parenthood verunglimpfen sollten, bereits widerlegt worden waren.

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Nichtsdestotrotz stehen die Ergebnisse von Conway und Lake aus dem Jahr 2004 zumindest bis zur Hälfte des Buchs entgegen der Ansichten von Daleidens Anhängern, denn sie vertreten nicht nur eine sehr sex-positive Meinung, sondern setzen Frauen an erste Stelle. Wenn es um Sex geht, schreiben sie, "sollte sie die Kontrolle haben." An andere Stelle zitieren sie Emily Dickinson, um zu zeigen, dass "Dauersingles" und exzentrische Single-Frauen auch allein glücklich werden können. Um ihre Privatleben zu fördern, sagen Conway und Lake, müssen moderne Frauen "keinen Mann und keine Ehe mehr haben." Sie können sich auch selbst fördern.

In einem Kapitel, in dem es um arbeitende Frauen geht, sagen sie, dass eine von elf Frauen ihr eigenes Unternehmen besitzt. Sie beschreiben diese Entwicklung als äußerst positiv und zählen sich auch selbst dazu. Conway schildert darüber hinaus auch, wie sie geschäftlich von New York nach Washington DC gependelt ist, mit "Zwillingen, Mutter, Tante und einem Hund mit Behinderung im Schlepptau." Frauen, finden sie, sind darüber hinaus ethischere Unternehmer als Männer. Sie legen mehr Wert darauf, dass ihren Mitarbeitern eine bezahlbare Gesundheitsfürsorge zur Verfügung steht, wohingegen Männer "vor allem Steuersenkungen ganz oben auf ihrer Agenda stehen haben." Um diesen Punkt zu verdeutlichen, beschreiben sie die absolute Antithese zu einem egalitären weiblichen Chef: Conways aktuellen Arbeitgeber, Donald Trump.

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"Das amerikanische Geschäftsmodell geht davon aus, dass es auf die persönlichen Errungenschaften ankommt und präsentiert einsame 'Superhelden' wie Ross Perot und Donald Trump als Ideal von Erfolg", schreiben Lake und Conway. "Frauen führen schrittweise ein anderes, egalitäreres Modell ein – eines, das auf Kooperation, Team-Produktivität und einer gesunden Work-Life-Balance beruht. Dieser aufkommende neue Trend zeigt ganz deutlich, dass Frauen nicht vom Wohlstand abgeschnitten sein müssen. Sie können ihren eigenen Weg gehen." Frauen, sagen sie, brechen die feindliche Arbeitskultur, die von Männern wie Donald Trump geschaffen wurde, auf.

Abgesehen von dem deutlichen Kontrast zwischen Conways damaliger Haltung und ihrem aktuellen Job – natürlich konnte sie 2004 noch nicht wissen, dass sie mal die rechte Hand des damaligen Moderators von The Apprentice werden würde – ist der Großteil des Buches offensiv langweilig und besteht hauptsächlich aus Statistiken und noch mehr Statistiken, was mich Conways Absurditäten, die sie in den Nachrichten von sich gibt, schon fast vermissen lässt.

Der sporadische Unterhaltungsfaktor von What Women Want beruht einzig und allein auf den unbeabsichtigt komischen, anachronistischen Anspielungen auf die Modewelt – wie zum Beispiel: "Das Vorurteil der unbekümmerten, feierwütigen Single-Frau, die mehr als 500 Dollar monatlich für Manolo Blahnicks ausgibt, ist genauso unzutreffend wie das der verwitweten alten Oma mit den blauen Haaren, die Sonntags allein spazieren fährt." Außerdem beschreiben Conway und Lake die Beziehungsdynamiken von Sex and the City in voller Länge:

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Miranda, die hartgesottene Anwältin, hadert mit ihrer Beziehung zu dem sensiblen Durchschnittsverdiener, der sein Geld als Barkeeper verdient. Doch letztendlich überwindet sie ihre Ängste zuliebe eines ungeplanten Babys. Carrie, auf der anderen Seite, wollte ihr Leben weder mit dem Birkenstock tragenden Möbelbauer noch mit dem russischen Künstler verbringen. Stattdessen landet sie bei Mr. Big (dem erfolgreichen Mann mit dem passenden Namen, dessen Vorlieben zu seinem Kontostand passen). Die zweifach geschiedene Charlotte ist hingegen verzweifelt auf der Suche und kommt – trotz ihres finanziellen Erfolgs – mit einem kleinen und kahlköpfigen Mann zusammen, der nicht ihrem Bild von Prince Charming entspricht. Was die aufreizende Samantha angeht: Nachdem sie sich ihr ganzes Leben lang durch Konferenzräume und endlose Schlafzimmer gearbeitet hat, verliebt sie sich am Ende in einen viel jüngeren, weniger bodenständigen Mann. Vier Frauen, vier Entscheidungen, die sich in einer kulturellen Wirklichkeit vereinen.

Dieser Absatz stellt zwar verschiedene Optionen für Frauen dar, gleichzeitig legt er aber auch nahe, dass karriere- oder sexorientierte Frauen – die traditionelle Rollenbilder ablehnen – am Ende mit minderwertigeren Männern zusammenkommen. (Carries Karriere bleibt, trotz ihres Erfolgs, neben ihren romantischen Errungenschaften unerwähnt. Das mag vielleicht aber auch daran liegen, dass sie Teil der "unehrlichen Medien" ist.) Die Autorinnen legen nahe, dass Frauen besser gestellte Männer heiraten, während Männer schlechter gestellte Frauen heiraten und dass es Frauen schwerer fällt, einen sozial überlegenen Mann zu finden, wenn sie die Karriereleiter nach oben klettern. Hinzu kommt, dass Frauen laut Conway und Lake unter Stress leiden, wenn sie Erfolg im Büro und zu Hause haben. Im Rahmen einer Umfrage haben sie die Frage gestellt: "Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen, denen Mütter, die Vollzeit und außerhalb des Hauses arbeiten, begegnen?" Die meisten Frauen äußerten Sorgen hinsichtlich der "familiären Stabilität", wie zum Beispiel, elementare Entwicklungsschritte die ersten Male von ihren Kindern zu verpassen oder die fehlende Zeit. Die "Angst um ihren sicheren Arbeitsplatz" schien dagegen zweitrangig zu sein.

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What Women Really Want bietet einen inkonsistenten Blick auf das Leben amerikanischer Frauen. Auf der einen Seite lobt das Buch weibliche Geschäftsinhaberinnen und setzt sich für Ansichten ein, die schon nahezu feministisch anmuten. Auf der anderen Seite bestätigt es aber auch hartnäckige Vorurteile: Karrierefrauen sind dazu gezwungen, persönliche Opfer zu bringen und die meisten Frauen priorisieren Kinder, selbst wenn sie erst "ihre Ausbildung beenden und eine Karriere aufbauen wollen", bevor sie Kinder bekommen. Conway und Lake stellen auch fest, dass die meisten Frauen die Mutterrolle als die wichtigste Rolle einer Frau ansehen. "Es werden weniger Kinder geboren als jemals zuvor, aber Kinder rücken immer mehr ins Zentrum", heißt es in dem Buch. "Wir sind eine in Kinder vernarrte Nation, aber wo sind all die Kinder?" Laut ihrer Meinungsumfrage sprechen Single-Frauen eher darüber, Kinder zu bekommen, als über den Wunsch, einen Ehemann zu finden. Außerdem verwenden Frauen mit Babys "mehr Zeit, Aufmerksamkeit und materielle Güter auf unsere Nachkommen, selbst wenn wir nicht so begeistert sind von der Vorstellung, sie um uns zu haben." Sie erkennen die Probleme, die sich Müttern des 21. Jahrhunderts stellen, an, stellen Babys aber auch als so eine Art heiliger Gral im Leben amerikanischer Frauen dar.

Während ich mich durch die endlosen Statistiken und fragwürdigen popkulturellen Anspielungen gekämpft habe, kam ich nicht umhin, mich zu fragen, ob Conway Trump zum Sieg verhelfen konnte, weil sie die verschiedenen Facetten amerikanischer Frauen verstanden (und nicht manipuliert) hat. Im Fernsehen vertritt sie mittlerweile ein sehr viel einfacheres Bild der amerikanischen Bevölkerung. Schon schade, dass die Frauenwelt, die sie in ihrem Buch präsentiert, so viel komplizierter ist als ihre heutige Welt der "wahren Amerikaner." Wir sind in jedem Fall gespannt, was auf Donald Trumps Twitter-Seite abgeht, wenn er herausfindet, dass seine Beraterin in der Vergangenheit nicht sein größter Fan war.