illustration eines Pärchens in Pyjamas auf der Couch vor dem Fernseher, ein Leser fragt, ob es OK ist, dass er und seine Freundin nur noch selten miteinander schlafen.
Illustration: Djanlissa Pringels
Sex

Ich und meine Partnerin haben kaum noch Sex: Ist das schlimm?

"Nach einem schönen gemeinsamen Tag kuscheln wir uns ins Bett, geben uns einen Gute-Nacht-Kuss, drehen uns weg und schlafen ein."

"Frag VICE" ist eine Artikelreihe, bei der uns Leserinnen und Leser bitten, ihnen bei verschiedenen Problemen zu helfen – egal ob es sich um nicht erwiderte romantische Gefühle oder den Umgang mit nervigen Mitbewohnern handelt. Dieses Mal versuchen wir, einem Leser zu helfen, der sich um das Sexleben in seiner Beziehung sorgt.

Hi VICE,

seit sechs Jahren bin ich mit der Liebe meines Lebens zusammen. Wir haben uns an der Uni kennengelernt. Nach einem Monat Dating haben wir unsere Beziehung offiziell gemacht. Kurz darauf sind wir zusammengezogen. Sie hat einen fordernden Job und war vor der Pandemie häufig auf Geschäftsreisen. Wir haben uns teilweise wochenlang nicht gesehen.

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In letzter Zeit haben wir aber viel Zeit miteinander verbracht und ich liebe es. Wir machen zusammen Sport, schauen stundenlang Serien und weil wir am Samstagmorgen nicht furchtbar verkatert aufwachen, haben wir Energie, um die Wochenenden miteinander zu genießen. Ich habe sie in dieser Zeit besser kennengelernt und mag sie mehr denn je.


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Nach einem schönen gemeinsamen Tag kuscheln wir uns ins Bett, geben uns einen Gute-Nacht-Kuss, drehen uns weg und schlafen ein. Sex haben wir nur selten. Im Schnitt vielleicht einmal im Monat, aber es sind auch schon mal zwei Monate ohne vergangen. Am Anfang unserer Beziehung war das total anders. Sie war immer ein bisschen versauter als ich. Das gefiel mir. Ich habe sie bei der Arbeit besucht und wir hatten Quickies auf der Toilette. Wenn sie länger unterwegs war, haben wir gemeinsam über FaceTime masturbiert.

Ich habe momentan nicht mehr so häufig Lust und wenn doch, masturbiere ich einfach schnell, während sie am Computer arbeitet. Inzwischen kommt mir Sex nur noch lästig vor. Ich bin mir nicht sicher, wie meine Partnerin darüber denkt, aber sie scheint auch definitiv weniger Anstalten zu machen als früher. Ich will nicht, dass wir uns trennen, und ich fühle mich noch immer sehr zu ihr hingezogen. Ich frage mich also: Stimmt etwas mit mir nicht? Und was kann ich tun?

Beste Grüße

M.


Lieber M., 

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auf der ganzen Welt haben immer weniger Menschen Sex. So ergab eine Befragung der London School of Hygiene and Tropical Medicine: Verheiratete und zusammenlebende Paare haben heutzutage weniger Sex als vor zehn Jahren. Ihre Studie dazu veröffentlichten sie in der medizinischen Fachzeitschrift British Medical Journal. Die Untersuchung zeigte außerdem, dass viele Menschen in Beziehungen nach den ersten sechs gemeinsamen Monaten weniger häufig Sex haben. Du bist also bei Weitem nicht allein mit deiner Situation.

Vielleicht verunsichert dich, was du in den Medien liest und siehst, aber der Sexologe Yuri Ohlrichs betont, dass es keine klare Regel gibt, wie viel Sex ein Paar haben sollte. Das sei für jede Beziehung anders. "Es gibt Paare, die dreimal pro Woche miteinander schlafen, dabei aber nicht besonders viel Spaß haben", sagt er. "Und dann gibt es Paare, die vielleicht nur einmal im Monat Sex haben, der für sie aber sehr erfüllend ist."

Es mag offensichtlich klingen, aber man kann die Qualität einer Beziehung nicht allein an der Häufigkeit des Sex festmachen. "Als ich deine Nachricht gelesen habe, konnte ich keinen Grund dafür erkennen, warum du deine Beziehung beenden solltest", sagt Ohlrichs. "Ihr scheint eine großartige Zeit miteinander zu haben."

Laut Ohlrichs ist es auch komplett normal, dass Paare mit der Zeit die eigentliche Dynamik der Beziehung entdecken. Ist Sex ein wichtiger Bestandteil oder ist es eher die Intimität, die entsteht, wenn ihr gemeinsam abends miteinander Serien schaut?

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"Vielleicht merkst du, dass es in eurer Beziehung am wichtigsten ist, etwas gemeinsam zu unternehmen", sagt Ohlrichs. Auch wenn Sex vielleicht eine größere Rolle in deinen früheren Beziehungen gespielt haben mag, heißt das nicht, dass diese unbedingt besser waren. "Mir ist auch aufgefallen, dass es für dich OK zu sein scheint, weniger Sex zu haben", sagt der Sexologe.

Natürlich ist es richtig, sich zu fragen, ob deine Partnerin auch damit zufrieden ist. Laut Ohlrichs gibt es auch nur einen Weg, das herauszufinden: Frag sie! Das ist manchmal leichter gesagt, als getan. "Menschen haben oft Angst, dass sie Probleme schaffen, wenn sie so ein Thema ansprechen, das für die andere Person möglicherweise gar nicht besteht." Ohlrichs glaubt allerdings, dass diese Sorgen aber größtenteils unbegründet seien. "Es kann eine große Erleichterung sein, wenn du feststellst, dass deine Partnerin auch zufrieden mit eurer Sexhäufigkeit ist."

Wenn das allerdings nicht so sein sollte und ihr beide merkt, dass ihr euer altes Sexleben vermisst, hat Ohlrichs ein paar Vorschläge, was ihr tun könntet.

Zuerst solltet ihr überlegen, warum ihr weniger miteinander schlaft. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ihr in den vergangenen Jahren so viel Zeit miteinander verbracht habt. "Wenn ihr ständig zusammen seid, ist es normal, dass die sexuelle Spannung abnimmt", sagt Ohlrichs. Paare, die viel Zeit miteinander verbringen, gewöhnen sich schnell daran, dass sie jederzeit Sex haben können. Bei manchen kann das dazu führen, dass das Verlangen schwindet. Das Schöne ist, dass ihr entdeckt habt, dass es andere Dinge gibt, die ihr gemeinsam machen könnt. Sex hat deswegen nicht mehr eine so hohe Priorität.

Du solltest aber auch überlegen, ob du dich momentan wie du selbst fühlst. Vielleicht bist du gestresst von der Arbeit, der Pandemie oder einer Million anderer Dinge. Wenn das der Fall ist, ist Ohlrichs Ratschlag einfach: Setz dich nicht zusätzlich wegen eures Sexlebens unter Druck.

Nur weil du momentan weniger Interesse an Sex hast als früher, machst du nicht automatisch irgendwas falsch. Wenn du aber die Ursache für deine verminderte Libido herausfinden und etwas daran ändern möchtest, könnte eine Therapie eine Option sein. So könntest du dein Verhältnis zu Sex reflektieren.

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