Liebe und Drogen: Wie sich Cannabis auf unsere Beziehung ausgewirkt hat
Illustration von Luigi Olivadoti

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Drogen

Liebe und Drogen: Wie sich Cannabis auf unsere Beziehung ausgewirkt hat

Unser frisch verheiratetes Autorenpaar hat verschiedene Drogen ausprobiert und deren Wirkung auf ihre Beziehung beobachtet. Teil 2: Cannabis.

Illustration von Luigi Olivadoti In dieser sechsteiligen Serie haben unsere beiden Autoren ihre persönlichen Erfahrungen mit verschiedenen chemischen und psychoaktiven Substanzen unabhängig voneinander aufgeschrieben. Sie haben einerseits darauf geachtet, Drogen nicht zu einem Eckpfeiler ihrer Beziehung werden zu lassen. Andererseits war ihnen wichtig, insbesondere die harten Drogen nur gemeinsam zu nehmen, an Orten und in Situationen, in denen sie möglichst wenigen, potenziellen Störfaktoren ausgesetzt waren. Letzte Woche haben sie über ihre Erfahrungen mit Alkohol berichtet. Hier berichten sie darüber, wie sich THC-haltige Substanzen auf ihre Beziehung ausgewirkt haben.

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Mittlerweile hat sogar das Bundesamt für Gesundheit festgestellt, dass Cannabiskonsum nicht nur Nachteile mit sich bringt und ermöglicht es in Ausnahmefällen, THC-haltige Substanzen als Medizin zu beziehen. Sucht Schweiz warnt indes weiter, dass vor allem bei regelmässigem Konsum die Gefahr besteht, eine Psychose zu entwickeln. Wir haben beide schon als Teenager unsere ersten Erfahrungen mit Cannabis gemacht, aber unterschiedliche Gewohnheiten entwickelt.

Nadja

Als ich Till kennenlernte, konnte ich nicht glauben, dass ein Mensch physisch dazu in der Lage ist, so viel THC aufzunehmen, ohne dabei tot umzufallen. Ich hatte in Teenagerzeiten Erfahrungen mit Cannabis gemacht. Zum Höhepunkt meiner Kifferphase war ich aber immer noch nicht in der Lage, einen Joint zu drehen, ohne dass Tabakresten auf den Boden rieselten. Ach ja, und ich habe auf die falsche Seite gedreht. Du siehst: Ich war—und bin es noch—eine Kifferbanausin. Von Gras und Hasch bekam ich super schnell paranoide Gedanken, einen heissen Kopf und wollte nur noch nach Hause. Und dann verliebte ich mich ausgerechnet in einen Mann, der riesige Mengen von dem Zeug rauchte und eine Wissenschaft daraus machte, die besten Schmuggeltechniken zu entwickeln.

Mich störte sein Cannabis-High erst an dem Punkt, an dem ich ihm intellektuell so weit überlegen war, dass ich stattdessen Selbstgespräche hätte führen können. Ich glaube, dass er sich dafür zu schämen begann. Zumindest nahm er sich vor, während unseres dreiwöchigen Urlaubs kein Gras zu rauchen. Seit diesem ferienbedingten Entzug ist sein Cannabiskonsum wieder in einem verträglichen Rahmen. Ich glaube, er will es nicht mehr riskieren, mir intellektuell unterlegen zu sein und mich dadurch zu langweilen.

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Während unserer Beziehung stellte Till immer wieder neue Thesen auf, wieso Cannabis auch mir gut täte. Für ihn ist Cannabis so etwas wie eine Medizin gegen alles. So überredete er mich, als ich über starke Regelschmerzen klagte, auf einem Stück Haschisch rumzukauen. Sein Experiment bescherte mir einen paranoiden Nachmittag, den ich damit verbrachte, YouTube-Filmchen zu schauen, immer wieder zu lachen und danach eine gefühlte halbe Stunde darüber nachzudenken, ob ich tatsächlich laut heraus gelacht oder mir alles nur eingebildet hatte. Till gab trotzdem nicht auf und nötigte mich schliesslich, vaporisierten Haschisch zu probieren. Weil dies wirklich die gewünschte Wirkung hatte—keine Paranoia, aber Muskelentspannung und Schmerzbefreiung—proklamiert er jeweils mit geschwollener Brust, einen Beitrag zu meinem körperlichen Wohl und somit einen solidarischen Beitrag während meiner Monatsblutung geleistet zu haben.

Ich bin retrospektiv froh, dass ich nie versucht habe, ihm das Kiffen auszutreiben und will auch in Zukunft nicht diejenige sein, die ihm etwas verbietet oder ihn passiv aggressiv zu etwas drängt.

Till

Ich rauche schon mehr als mein halbes Leben lang THC-haltige Waren und war daher recht abgehärtet. Ich kann nicht abschliessend sagen, ob diese Gewohnheit aus meiner 90er-Jahre-Hip-Hop-Konditionierung oder durch das ebenfalls in der Adoleszenz entwickelte Bedürfnis, mein Gehirn gelegentlich auszuschalten, geboren war. Ich habe mich bereits als Teenager intensiv mit der Pflanze und ihren Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Bewusstseinsveränderung auseinandergesetzt. So wurde die Dosis, die ich mir reinzog, um das angenehme Level zu erreichen, auf dem ich um die Hälfte meiner Gehirnaktivität beraubt bin und mich zufrieden vor eine weitere Folge Rick and Morty setzen kann, immer grösser.

Dank dieser lang antrainierten Grasresistenz war ich auch in extrem bekifften Zuständen noch gesellschafts- als auch konversationsfähig. Zumindest in einem Rahmen, den ich den jeweiligen Situationen als angemessen empfand. So lernte mich Nadja als jemanden kennen, der sich nach Feierabend gut und gerne mal drei bis sechs Tüten in die Lunge zieht. Diese Abhärtung starb mit einem längeren gemeinsamen Urlaub in Asien. Es erschien mir als recht Junkie-mässig, Gras via Singapur nach Kambodscha zu schmuggeln und so den gemeinsamen Urlaub einem beachtlichen Risiko auszusetzen. Also verzichtete ich darauf.

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Die Abwechslung war mir auch aus anderen Gründen durchaus willkommen: Etwas entgiften, sich mal wieder orientieren können oder einfach Sachen merken und sich selbst beweisen, dass man nicht wirklich süchtig ist. Ich dachte mir: "Wenn es eine Zeit gibt, in der ich am ehesten auf Gras verzichten kann, dann sind das Abenteuerferien mit der Frau meines Lebens." Nach diesen paar Wochen war meine gewohnheitsgeborene Resistenz dahin. Wenn ich jetzt eine mit der Vorurlaubszeit vergleichbare Menge rauche, setzt mich das vollständig ausser Betrieb. Ich bin dann fast tot, bekomme Paranoia und fühle mich nicht mehr wohl.

Was für mich aber den Ausschlag gab, mich nicht mehr auf dieses Niveau der Resistenz hochzuarbeiten, war, dass ich es einfach liebte, mit vollem Bewusstsein Zeit mit Nadja zu verbringen. Ich brauche mich nicht mehr abzuschalten, da sie mich intellektuell und emotional herausfordert und gleichzeitig glücklich macht. Ich muss mich nicht mehr in einen Kokon zurückziehen, der mir die Welt warm, farbenintensiv und amüsant erscheinen lässt. Neuerdings fühle ich mich bereits wohl, unterhalten und geborgen, wenn ich in unser gemeinsames Zuhause komme und wir uns hinsetzen um etwas zu reden.

Die körperlichen Entspannungseffekte, die das Kiffen mitbringt, finde ich aber nach wie vor gut. Also suchte ich nach neuen Wegen des Konsums und zwar solchen, die einen geistig nicht vollkommen wegballern, aber trotzdem körperliche Effekte mit sich bringen. Im Verlauf des letzten Jahres habe ich also mit unterschiedlichen Substanzen und Konsumationsmethoden experimentiert. Wir sind mittlerweile beide sehr zufrieden mit den Resultaten dieser "Forschung".

Nächste Woche erzählen wir dir von unseren Erfahrungen mit MDMA.

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Titel-Illustration von Luigi Olivadoti