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Gaming

Die Hölle, die abtreibende Frauen durchmachen, ist jetzt ein Videospiel

Das kostenlose Browser-Game 'Trapped' beleuchtet ein Thema, über das nur wenige nachdenken – bis sie selbst davon betroffen sind.
Screenshot aus Trapped

Du bist schwanger und brauchst eine Abtreibung, aber für eine Abtreibungspille ist die Schwangerschaft schon zu weit fortgeschritten. Für eine instrumentelle Abtreibung brauchst du eine Überweisung, aber dein Hausarzt will dir keine ausstellen. Also musst du zu einer Klinik in einer anderen Region. Du musst dir ein Auto leihen, ein Hotelzimmer buchen, jemanden finden, der in der Arbeit deine Schicht übernimmt, und einen Babysitter für das Kind organisieren, das du schon hast. Vielleicht brauchst du auch eine Dolmetscherin, weil du die Landessprache nicht fließend beherrschst. In der Zwischenzeit tickt die Uhr, und der Preis deiner Abtreibung steigt, weil du in einer späteren Schwangerschaftswoche bist.

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Dieses Szenario klingt wie ein Albtraum, ist gerade für Frauen in den USA aber nichts unrealistisches. Mit Trapped, einem neuen, kostenlosen Browser-Game, will Entwicklerin Kate Bertash die Hindernisse zeigen, mit denen Frauen zu kämpfen haben, wenn es um Abtreibungen geht. Das Spiel begleitet eine Frau von dem Tag, an dem ihr aufgeht, dass sie schwanger ist, bis hin zu dem Moment, an dem sie erleichtert aus der Klinik kommt.

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In den Staaten geht das Recht auf eine Abtreibung auf den Präzedenzfall Roe v. Wade (1973) zurück, konservative Abtreibunsgegner erfreuen sich dort trotzdem weiterhin großer Popularität. Deutschland mag ein besseres Gesundheitssystem (und eine bessere Infrastruktur) haben, doch auch hierzulande werden Frauen, die selbst über ihren Körper entscheiden wollen, Steine in den Weg gelegt. Der Grund: Offiziell gilt ein Schwangerschaftsabbruch immer noch als "Straftat gegen das Leben", wird unter bestimmten Voraussetzungen aber geduldet. So unterschiedlich die rechtlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen also auch sein mögen: Eine Abtreibung ist für keine Frau einfach, egal ob sie aus Deutschland oder den USA kommt.

Dass es selbst dann nicht einfach ist, von einem Recht Gebrauch zu machen, wenn es auf Papier existiert, weiß auch Bertash. Für die Spieleentwicklerin ist das die wichtigste Botschaft ihres Projekts. Selbst dort wo keine Gesetze den Zugang zu Abtreibungen zusätzlich erschweren, ist der Grad der Selbstbestimmung abhängig von der finanziellen Situation.

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Laut dem Verband von Abtreibungsanbietern National Abortion Federation kann ein Schwangerschaftsabbruch in den USA innerhalb der ersten zehn Wochen zwischen 350 und 500 Dollar kosten, ab der 20. Woche können die Kosten auf über 1.000 Dollar steigen. Dazu kommen noch Reisekosten, Unterkunft, Kinderbetreuung und so weiter. Manchen Frauen gelingt es, die Abtreibung von ihrer Krankenversicherung zahlen zu lassen, doch laut der Forschungseinrichtung Guttmacher Institute zahlten 2014 in den USA bei 53 Prozent aller Abtreibungen die Patientinnen selbst.

In Deutschland ist das Gesundheitssystem ein wenig sozialer. Laut Pro Familia kostet eine Abtreibung hierzulande je nach Methode zwischen 200 und 570 Euro; die Krankenkasse übernimmt die Kosten, wenn es sich um eine medizinisch begründete Abtreibung oder um das Ergebnis einer Vergewaltigung handelt. Auch einkommensschwache Frauen können eine Kostenübernahme beantragen. Um eine gesunde und einvernehmlich entstandene Schwangerschaft bis einschließlich zur 12. Woche abzubrechen, müssen Frauen in Deutschland zu einem Beratungstermin gehen und dann noch einmal mindestens drei Tage abwarten.

Trapped begann als Kartenspiel, entwickelt von Women's Health Specialists, einer Klinik für reproduktive Gesundheit im kalifornischen Redding. Dann organisierte Bertash den Abortion Access Hackathon, eine Convention, bei der kreative Technik-Expertinnen gemeinsam an Projekten rund um den Zugang zu Abtreibungen arbeiten. Auf dem Hackathon entwickelten mehrere Teams Trapped weiter. Nach dem Event beschloss Bertash, Trapped als richtiges Computerspiel umzusetzen, um die Botschaft mit einer möglichst wirksamen Atmosphäre zu vermitteln. In dieser neuen Version schlüpft die Spielerin oder der Spieler in die Rolle einer Frau, deren Zugang zu einer Abtreibung von zufällig ausgewählten Faktoren bestimmt wird: Alter, Beruf, Muttersprache, Versicherungsstatus, Schwangerschaftswoche. Durchgehend zeigt ein Timer in der oberen rechten Ecke an, wie viele Tage bereits vergangen sind und wie viel die Abtreibung basierend auf den bisher gesammelten Informationen wohl kosten wird. Mit jedem neuen Spiel ist das Szenario anders.

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Alle Kosten, Wartezeiten, Gesetze und Szenarien in dem Spiel basieren auf Nachforschungen zu echten Gesetzen, die den Zugang zu Abtreibungen beeinflussen, Statistiken zu Frauen, die sich um eine Abtreibung bemühen und Berichten von Personen, die in Abtreibungskliniken arbeiten. Bertash war es vor allem ein Anliegen, zu zeigen, wie sehr die Kosten für eine Abtreibung steigen, je weiter die Schwangerschaft fortgeschritten ist. Auch die Frauen selbst überrasche das immer wieder. Außerdem liefern Cut-Screens im gesamten Spiel Statistiken und Hintergrundinfos zur Lage in den USA. Zum Beispiel über Gesetze, die es Anbietern extrem erschweren, Abtreibungskliniken zu betreiben, oder die Tatsache, dass 61 Prozent aller Frauen, die 2008 eine Abtreibung vornehmen ließen, bereits Mütter waren.

Die aktuelle Version des Spiels ist recht einfach gehalten, es gibt keine freien Entscheidungsmöglichkeiten. Bertash hat aber vor, es in Zukunft um mehr Features zu erweitern, die es Spielern erlauben werden, die Identität und den Wohnort der Protagonistin zu beeinflussen. So könnten Frauen ihre Postleitzahl eintippen und damit Szenarien generieren, die ihrer eigenen Situation entsprechen. Aber auch heute schon vermittelt Trapped eindrücklich: Die Zeit läuft, die Kosten sind hoch und die Hindernisse zahlreich. Selbst in Ländern, die das Recht auf Abtreibung offiziell respektieren, kann eine Schwangerschaft uns das Gefühl geben, in der Falle zu stecken.

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